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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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zog Mr Dolliver (auf Dads Kosten) weitere, noch teurere Anwälte hinzu. Sie diskutierten über Habeas Corpus 93 , Verbotsverfügungen und andere Zauberformeln, fertigten jede Menge Schriftstücke aus, probierten es bei diesem Gerichtshof und bei jenem, doch alles vergebens. Unterdessen überschritt Dad auf der Rückfahrt von Paradise sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen, eine Reaktion auf die verzweifelten Befehle seines Sohnes, und als er zu Hause ankam, erwarteten ihn Bunny und seine jüdische Freundin schon unter dem Vordach. Sie schleppten ihn in sein Arbeitszimmer und zwangen ihn, sich eine Abhandlung über den Unterschied zwischen dem rechten und dem linken Flügel der sozialistischen Bewegung anzuhören, inklusive einer vollständigen Beschreibung der Tätigkeit eines Pressebeauftragten der sozialistischen Partei. Mittendrin brach Rachel in Tränen aus und sank auf dem Sofa zusammen, und Dad, der genauso wenig imstande war, eine Frau weinen zu sehen, wie Bunny, ging zu ihr hin, tätschelte ihr die Schulter und sagte: «Na, na, meine Kleine, machen Sie sich keine Sorgen. Ich krieg ihn raus, und wenn ich einen Mann nach New York schicken muss!»
    Also ging Dad wieder hinaus und sauste in seinem Auto davon. Das war etwa zur Lunchzeit – und wer stieg noch am selben Tag kurz vor drei vor dem Mietshaus der Menzies ’ aus einem Taxi? Kein Geringerer als Chaim persönlich, ungewaschen und unrasiert, aber heiter lächelnd und bereit, seine «Bemiehungen» im Dienste der Bekleidungsnäher fortzusetzen! Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie das ermöglicht worden war; die Wärter des Bezirksgefängnisses hatten, als sie ihn freiließen, von sich aus keine Auskunft gegeben, und Chaim hatte sich nicht mit Fragen aufgehalten. Er sollte es nie erfahren und seine Tochter auch nicht, denn was Dad zu Bunny sagte, war streng vertraulich und gehörte zu den Berufsgeheimnissen der Ölmänner.
    «Was ich gemacht hab? Ich hab bloß einen alten Freund um Rat gefragt, Ben Skutt.»
    «Ben Skutt?» Bunny hatte seit Jahren nicht mehr an ihren «Spürhund» gedacht.
    «Ja, Ben mischt jetzt ganz oben bei diesen Heimatschutzfritzen mit. Er hat die Sache für mich geregelt.»
    «Was hast du ihm denn gesagt?»
    «Gesagt? Einen Riesen hab ich ihm versprochen.»
    «Einen was?»
    «Das ist Schmugglersprache. Ich hab ihm fünfhundert Dollar gegeben und gesagt: ‹Ben, geh zu dem Mann, der den alten Juden ins Loch gesteckt hat, und sag ihm, er soll ihn laufen lassen, dann kannst du wiederkommen und dir nochmal fünfhundert abholen!›»
    «Mein Gott!», sagte Bunny.
    Dad paffte ein paarmal an seiner dicken Zigarre. «Jetzt weißt du, warum wir Ölmänner in die Politik gehen müssen!»
    11
    Dieser Vorfall vervollständigte nicht nur Bunnys politische Bildung, sondern war auch in anderer Hinsicht wichtig für ihn; er wurde nämlich zum Anlass dafür, dass Vee Tracy in seinem Leben die Führung übernahm. Ross senior rief die Filmdame noch am selben Abend an und sagte: «Hören Sie, Vee, Sie pennen wohl während der Arbeit!»
    «Wie meinen Sie das, Mr Ross?»
    «Mein Name ist Dad», sagte die Stimme, «und ich meine, dass Sie sich nicht so um meinen Sohn kümmern, wie ich mir das wünsch. Er ist schon wieder wegen diesen Bolschewiken in Schwierigkeiten geraten, und das alles bloß, weil Sie nicht oft genug mit ihm zusammen sind.»
    «Aber Mr … Dad, ich habe immer versucht, ihn zum Lernen anzuhalten; ich dachte, das wollen Sie.»
    «Ach, vergessen Sie die Lernerei, das ist alles Quatsch, das tut ihm nicht gut, und außerdem lernt er gar nicht, er rennt bloß zu diesen sozialistischen Versammlungen. Da ist er doch bei Ihnen besser aufgehoben.»
    «O Dad!» Das kam noch ein kleines bisschen stockend. «Nichts, was ich lieber täte! Ich bin ganz verrückt nach diesem Jungen!»
    «Gut, dann nehmen Sie ihn unter Ihre Fittiche und behalten Sie ihn da, und wenn Sie ihn von diesen Roten loseisen können, bedenke ich Sie in meinem Testament.»
    Von da an stellte Bunny fest, dass er mit seiner Liebsten zu jeder Tages- und Nachtzeit ein Stelldichein vereinbaren konnte. Sie verriet ihm niemals den Grund – nein, so weit ging ihr Begriff von Aufrichtigkeit nicht. Sie ließ ihn in dem Glauben, daran sei sein überwältigender Charme schuld, und sein männlicher Egoismus gab sich mit dieser Begründung zufrieden. Mitunter tat sie, als sträube sie sich ein wenig. «O Bunny, Dad wird glauben, ich vergeude deine Zeit, am Ende nennt er mich noch einen

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