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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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Enthüllungen tatsächlich etwas bewirkt, das Volk schien sich zu sorgen. Aber der Feind wartete nur auf den rechten Zeitpunkt, um zuzuschlagen. In den letzten drei Wahlkampfwochen hatte er seine Reserven mobilisiert, und wie unter einer riesigen Hornissenwolke war der Himmel schwarz von einem Schwarm stechender, brennender, giftiger Lügen!
    Natürlich kam das Geld von Vernon Roscoe und den Ölmännern, dazu von den Bankiers, den Machthabern und den durch Einfuhrzölle geschützten großen Fabrikanten, von all denen also, die Profit daraus schlugen, wenn es ihnen gelang, die Regierung zu kaufen, oder Verluste erlitten, wenn dieser Kauf fehlschlug. Wieder ein Fünfzig-Millionen-Dollar-Werbefeldzug, und in jedem Dorf und jedem Weiler, in jedem Wahlkreis der großen und kleinen Städte gab es Komitees, die für einen aggressiven Vertrieb sorgten. In den großen Zentralen in Washington und New York fabriziert, wurde das Produkt en gros im ganzen Land ausgeliefert und von jeder Handelsvertretung in Umlauf gebracht – vermittels Zeitungen und Broschüren, Massenversammlungen, Paraden, Musikkapellen, Fackelumzügen, Rundfunk und Film: «Wenn LaFollette, der rote Barbar, gewählt wird, dann bricht die Wirtschaft zusammen und die Arbeiter werden arbeitslos. Stimmt deshalb alle für den starken, schweigsamen Staatsmann, den großen, weisen, edel gesinnten Freund des einfachen Volkes, für ‹Cal den Bedächtigen›.» Und eben jetzt, während Paul Watkins dalag und sein Leben aushauchte, senkte sich ein Schneesturm aus Stimmzetteln über das Land, wohl an die tausend pro Sekunde. Das einfache Volk tat seinen Willen kund.
    9
    Es war ein Tag wie im Hochsommer, die Fenster des Krankenzimmers standen weit auf. Das nächste, etwa zwanzig Fuß entfernte Gebäude war ein Mietshaus, und in dem auf gleicher Höhe gegenüberliegenden Zimmer befand sich direkt neben dem offenen Fenster eines der zweihunderttausend Radiogeräte, die es im Staat Kalifornien gibt. Die Bewohnerin zählte zu jenen zweihunderttausend Frauen, die ihre Hausarbeit gewöhnlich zu den Klängen entweder von «Jesus, Lover of my Soul» oder von «Flamin’ Mamie, Sure-fire Vamp» verrichten. Man kann hier etwa ein Dutzend Radiostationen empfangen, ein paar davon sind immer auf Sendung, und so hat man die Wahl. Diese Hausfrau hatte einen breit gefächerten Geschmack, und die Menschen, die an Pauls Bett wachten, bekamen zu ihrer Unterhaltung häppchenweise das Aloha-Hawaii-Quartett serviert, ein Orgelkonzert der Ersten Methodistenkirche und das Piggly-Wiggly-Mädchenorchester; «Radio QXJ» berichtete von einer hohen Wahlbeteiligung im Osten, «Radio VZW» bot Automobile aus zweiter Hand an, ein nicht genannter Redner ermahnte alle Bürger, zu den Urnen zu eilen, und Miss Elvira Smithers, ein Koloratursopran, sang: «Ah loves you mah honey, yes ah doo-oo-oo-oo!»
    Es kamen Anrufe von der Arbeiterpartei und den Wobblies im Hafen. Und Zeitungsreporter, die höflich Bunnys empörten Auslassungen lauschten und sich Notizen machten, aber natürlich nichts veröffentlichten. Die Zeitungen von Angel City verfolgen eine Politik, die jedem Kind einleuchtet – Nachrichten, die geschäftliche Interessen verletzen oder schlecht machen, werden nicht gedruckt.
    Aus Paradise rief Meelie Watkins an, jetzt Mrs Andy Bugner. Vater und Mutter seien mit Sadie zu einer Erweckungsversammlung gegangen; Meelie wusste nicht, wohin, wollte aber versuchen, sie ausfindig zu machen. Wie es Paul gehe? Und als Bunny berichtete, fragte sie, ob sie auch Eli kommen ließen. Selbst wenn sie nicht an ihn glaubten – es stehe nun einmal fest, dass Eli ein bedeutender Gesundbeter sei, er habe schon alle möglichen Leute geheilt und müsse doch die Gelegenheit bekommen, seinem Bruder zu helfen! Also schickte Bunny ein Telegramm an Elis Tempel und schilderte ihm Pauls Zustand, und zwei Stunden später fuhr am Portal des Krankenhauses eine riesige, teure Limousine vor.
    Eli Watkins, Prophet der Dritten Offenbarung, trug einen cremefarbenen Flanellanzug, der seine Größe unterstrich und ihn unübersehbar machte. Seit er in jüngster Zeit zu Ruhm und Macht gekommen war, hatte er sich ein päpstliches Gebaren zugelegt. Er reichte einem nicht mehr die Hand, sondern fixierte sein Gegenüber mit großen, hervorquellenden hellblauen Augen und sprach: «Der Herr sei mit dir.» Als er schließlich vor seinem Bruder stand, starrte er ihn nur an und stellte keine Fragen; Röntgenaufnahmen von Schädeln

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