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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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ihn wenig Geltung hatte. Er wusste, dass es lasterhafte Jungen gab, aber er war keiner von ihnen und würde wohl nie einer sein.
    Die Sache wurde Bunny dadurch erleichtert, dass er sich sehr bald ernsthaft verliebte. In der Schule gab es Scharen von jungen, charmanten weiblichen Wesen, denen man schlechterdings nicht entkommen konnte, schon gar nicht, wenn Vermögen und gesellschaftliches Ansehen so geartet waren, dass sie einem scharenweise nachliefen. Manche jungen Damen machten Bunny allzu kühne oder unverhohlen kokette Avancen und schreckten den schüchternen Jungen ab. Das Mädchen, das ihn schließlich an Land zog, war sehr zurückhaltend und still, sodass seine Fantasie sie mit romantischen Eigenschaften ausstatten konnte. Sie hieß Rosie Taintor, ihr Pferdeschwanz reichte ihr den halben Rücken hinunter, und die Ponyfransen hingen ihr duftig und golden schimmernd in die Stirn. Sie war noch schüchterner als Bunny und sprach wenig, aber das machte nichts, denn sie besaß eine grenzenlose Fähigkeit zur Bewunderung und drückte diese mit einem einzigen Wort aus: Alles war «wundervoll», wurde unter seelenvollem, geheimnisträchtigem Flüstern immer noch «wundervoller», und ganz besonders «wundervoll» war das Ölgeschäft. Rosie bekam es nie satt, sich davon erzählen zu lassen, und das gefiel Bunny, denn er hatte viel zu erzählen. Rosies Vater und auch ihre Mutter waren Zahnärzte, und weil dies kein besonders romantischer Beruf war, fand ihr Kind es natürlich aufregend, wenn einer wie Bunny über Land flitzte, Heere von Arbeitern dirigierte und unermesslichen Schätzen befahl, aus der Erde zu sprudeln.
    Bunny machte Ausflüge mit ihr, und draußen auf dem Land, wo es ungefährlich war, lenkte Bunny mit einer Hand, die andere lag auf Rosies Hand, und wahrhaft «wundervoll» waren die Schauder, die sie beide überliefen. Sie waren es zufrieden, stundenlang so zu fahren, oder sie stiegen aus, wanderten über die Hügel, pflückten Wildblumen und setzten sich hin, um den Sonnenuntergang zu betrachten. Bunny empfand nur Verehrung, und wenn er ein- oder zweimal so weit ging, einen Kuss auf die Wange seiner Angebeteten zu drücken, so tat er dies mit geradezu religiöser Ehrfurcht. Wenn sich das Wetter nicht für die Freiluftbalz eignete, besuchte er sie zu Hause. Das Hobby ihrer Eltern war das Sammeln von alten englischen Stichen, diese hingen gerahmt an den Wänden oder sie lagen in Stapeln da, die man sich anschauen konnte; kuriose Szenen aus dem achtzehnten Jahrhundert mit jagenden Gentlemen in roten Röcken und einer Hundemeute oder rotwangigen Kellnerinnen, die Zechern mit großen Pfeifen humpenweise Ale servierten. Bunny sah sie sich stundenlang an – denn man brauchte nur eine Hand zum Umblättern. Gibt es etwas, was nicht «wundervoll» ist, wenn man so jung ist und gleichzeitig so sittsam? Bunny war schon selig, wenn er sich einen neuen Strohhut kaufte, seiner Auserwählten auf der Straße begegnete und gespannt war, was sie dazu sagen würde.
    2
    Wenn Dad jetzt auf Geschäftsreise ging, fuhr er allein, es sei denn, er konnte sie aufs Wochenende oder in die Ferien legen. Er fuhr nicht gern allein; und auch Bunny war mit einem Teil seiner Gedanken immer bei Dad, und nach Dads Rückkehr bekam Bunny genau zu hören, wie alles gelaufen war.
    In Lobos River gab es jetzt sechs Bohrlöcher, und alle warfen «ordentlich was ab». Dad ließ an vier weiteren Stellen bohren, hatte elf seiner alten Antelope-Bohrlöcher vertieft und dort eine Rohrleitung gelegt, durch die ein Strom von Reichtum auf ihn zufloss. Auf dem Bankside-Gelände hatte er sechs Bohrlöcher in Produktion; Mr Bankside hatte er schon gut eine Million Dollar Förderzins ausbezahlt, und das war erst der Anfang. Auf dem nächsten Pachtgelände, dem Ross-Wagstaff, hatte er ein gutes Bohrloch, drei weitere wurden gerade gebohrt, und etwa eine halbe Meile weiter nördlich eröffnete er mit Ross-Armitage Nr. 1 ein neues Areal.
    Erstaunlich, was aus dem Prospect-Hill-Gelände geworden war. Auf dem Gipfel und an den Hängen war ein Wald aus Bohrtürmen entstanden, der bereits auf die Kohl- und Zuckerrübenfelder übergriff. Aus der Ferne und im Dunst des Sonnenuntergangs konnte man sich einbilden, dort rücke eine Armee von Schnecken vor – die Sorte mit den hohen, spitzen Häusern. Wenn man näherkam, hörte man ein Dröhnen und Grollen wie aus Plutos Reich, und nachts wirkte die Szene wie verzaubert, nebelhafte weiße und goldene Lichter, hier

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