Öland
zurückgezogen, und der Transport der frisch geschlagenen und
blank polierten Kalksteine zum Frachter kann beginnen. Das
ist der schwerste Teil der Arbeit. Seit einem halben Jahr muss
hier alles von Hand gemacht werden, weil die beiden Lastwagen des Steinbruchs vom Staat konfisziert und zu Militärfahrzeugen umfunktioniert worden sind.
Es herrscht Krieg, aber auf Öland muss die alltägliche
Arbeit trotzdem erledigt werden. Die Steine müssen vom
Steinbruch zu den Schiffen gebracht werden.
»Beladen!«, ruft der Vorarbeiter im Hafen, der Stauer Lass-Jan Augustsson.
Er dirigiert die Arbeit vom Deck des Steinfrachtseglers Wind und gibt den Männern mit seinen großen, von den
Steinen ganz rissigen Händen Anweisungen. Neben ihm stehen seine Arbeiter und warten darauf, die Steine an Deck
zu laden.
Die Wind liegt etwa hundert Meter vom Ufer vor Anker, in
sicherem Abstand, falls ein Sturm plötzlich die öländische
Küste heimsuchen sollte. In Stenvik gibt es keine Pier im
Hafen, hinter der man Schutz suchen könnte, und näher an
Land wartet der seichte, steinige Meeresboden darauf, die
Schiffe zu zermalmen, wenn er Gelegenheit dazu bekommt.
Die Steinblöcke werden zunächst in zwei offene Eintonner
geladen. Am Steuerbordruder des einen Kahns sitzt der Bootsjunge Johan Almqvist, der siebzehn ist und schon seit ein
paar Jahren als Ruderer und Steinmetz arbeitet.
Am Backbordruder sitzt der Neuling Nils Kant. Er ist gerade fünfzehn geworden, also fast erwachsen.
Seine Mutter hat Nils die Arbeit im Steinbruch der Familie
verschafft, nachdem er seine mittlere Reife nicht bestanden
und die Schule abgebrochen hatte. Vera Kant hat entschieden, dass er trotz seines geringen Alters Bootsjunge werden
soll, und Nils weiß, anschließend wird er nach und nach die
Verantwortung für den gesamten Steinbruch seines Onkels
übernehmen. Er weiß, dass er in dem Berggrund eigene, tiefe
und bleibende Spuren hinterlassen wird.
Ab und zu träumt Nils nachts davon, im schwarzen Wasser
zu versinken, aber tagsüber denkt er nur selten an seinen ertrunkenen Bruder Axel. Es war kein Mord, auch wenn böse
Zungen im Dorf etwas anderes behaupten. Es war ein Unglück. Axels Leiche ist nie gefunden worden, er ist an den
Grund des Sunds gezogen worden, wie viele andere Ertrunkene vor ihm, und nie wieder an die Oberfläche gespült worden. Ein Unglück.
Die einzige Erinnerung an Axel ist ein gerahmtes Bild im
Büro der Mutter. Nils und seine Mutter sind sich viel nähergekommen, seit Axel ertrunken ist. Vera sagt oft, er sei das
Einzige, was sie noch habe, und dann begreift Nils, wie wichtig er ist.
Die Ruderboote liegen an einem provisorischen Bootssteg
etwa zehn Meter vom Land entfernt und warten auf ihre Last.
Dorthin schleppen die Einwohner Stenviks die Steinblöcke:
In einer langen Kette stehen Jünglinge, Frauen, ältere Männer und eine Handvoll Männer im besten Alter, die noch
nicht zum Bereitschaftsdienst eingezogen worden sind. Auch
Mädchen helfen mit; Nils sieht Maja Nyman in einem rotkarierten Kleid auf dem Bootssteg; sie ist ein Jahr älter als er.
Er ist sicher, dass sie weiß, dass er sie manchmal ansieht.
Der Weltkrieg hängt wie ein Schatten über Öland. Die
Deutschen sind vor wenigen Monaten ohne größere Schwierigkeiten in Norwegen und Dänemark eingefallen. Das Radio
sendet jeden Tag Extranachrichten. Ist Schweden wirklich gerüstet, um einen Angriff zurückschlagen zu können? Fremde
Panzerschiffe sind im Sund gesichtet worden, und das Gerücht, dass der Süden von Öland angegriffen wurde, hat sich
schon mehrfach verbreitet.
Sollten die Deutschen kommen, das wissen die Öländer,
müssen sie allein zurechtkommen, denn die Hilfe vom Festland ist auch in den Jahrhunderten zuvor niemals rechtzeitig
eingetroffen, wenn feindliche Heere auf der Insel an Land
gegangen sind.
Es wird erzählt, dass das Militär den nördlichen Teil der
Insel unter Wasser setzen will, um eine Invasion zu verhindern, was ein harter Schlag wäre, nachdem die großen Überschwemmungen des Frühjahrs endlich in der Sonne verdampft sind.
Als früh am Morgen in der Ferne Motorenlärm zu hören
gewesen ist, ist das Abladen der Steine ins Stocken geraten.
Alle haben den verhangenen Himmel abgesucht. Alle außer
Nils, der sich nur gefragt hat, wie so ein richtiges Bombardement aus der Luft wohl aussehen mag. Mit jaulenden Bomben, die zu Feuerkugeln werden, und
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