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Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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immer. Es war verriegelt.«
    »Waren noch alle Scheiben heil?«
    »Ja, klar«, sagte Julia, »aber da war ein Mann. Beziehungsweise, er kam, als ich da war.«
    »Das war bestimmt John«, sagte Gerlof. »Oder Ernst.«
    »Er hieß Ernst Adolfsson. Ihr kennt euch, oder?«
    Gerlof nickte.
    »Er ist Bildhauer. Früher war er Steinmetz. Eigentlich ist
     er gebürtiger Småländer, aber …«
    »Aber trotzdem in Ordnung, wolltest du sagen?«, sagte
     Julia.
    »Er wohnt schon sehr lange hier.«
    »Ja, ich erinnere mich von früher noch schwach an ihn … er
     hat etwas Merkwürdiges gesagt, ehe er wieder ging, irgendetwas über eine Geschichte aus dem Krieg. Hat er den Zweiten Weltkrieg gemeint?«
    »Er schaut ab und zu nach dem Häuschen«, sagte Gerlof.
     »Ernst wohnt am Steinbruch, sein Material holt er sich von
     dem Schutt, der liegen gelassen wurde. Früher haben da fünfzig Männer gearbeitet, jetzt ist nur noch Ernst da. Er hat mir
     ein bisschen dabei geholfen, die Sache aufzuklären.«
    »Die Sache? Du meinst, was mit Jens passiert ist?«
    »Ja. Wir haben darüber geredet und spekuliert«, sagte Gerlof und fragte: »Wie lange bleibst du?«
    »Ja …«, Julia war auf diese Frage nicht vorbereitet gewesen.
     »Ich weiß nicht.«
    »Bleib doch ein paar Wochen. Das wäre gut.«
    »Das ist zu lang«, sagte Julia schnell. »Ich muss nach
     Hause.«
    »Wirklich?«, fragte Gerlof, als wäre es eine große Überraschung für ihn.
    Er schielte zu der Sandale auf dem Schreibtisch, und Julia
     folgte seinem Blick.
    »Ich bleibe eine Weile«, lenkte sie ein. »Ich helfe mit.«
    »Wobei denn?«
    »Bei … dem, was wir tun müssen, um weiterzukommen.«
    »Prima«, meinte Gerlof.
    »Was müssen wir denn tun?«, fragte sie.
    »Wir müssen mit Leuten reden … uns ihre Geschichten anhören. Wie man das früher getan hat.«
    »Du meinst … mit mehreren Leuten?«, fragte Julia. »Waren
     mehrere daran beteiligt?«
    Gerlof betrachtete die Sandale.
    »Ich möchte mit ganz bestimmten Leuten hier auf Öland
     sprechen«, sagte er. »Ich glaube, dass sie ein paar Dinge wissen.«
    Wieder hatte er ihr keine Antwort auf ihre Frage gegeben.
     Das fing an, sie zu ermüden, und eigentlich wollte sie gehen,
     aber jetzt war sie schon einmal hier und hatte außerdem
     auch Kuchen dabei.
    »Kann man hier einen Kaffee bekommen?«, fragte sie.
    »Eigentlich schon«, erwiderte Gerlof.
    »Dann können wir doch Kaffee trinken und den Kuchen
     hier essen«, sagte Julia. Anschließend fragte sie, obwohl es ihr
     peinlich war, so zu sein wie ihre umsichtige Schwester: »Wo
     soll ich heute Nacht schlafen? Hast du eine Idee?«
    Gerlof streckte den Arm aus, zog eine kleine Schublade
     heraus und suchte darin nach etwas. Er holte einen Schlüsselbund hervor.
    »Hier«, sagte er. »Du kannst heute Nacht im Bootshaus
     schlafen … Da gibt es jetzt auch Strom.«
    »Aber ich kann doch nicht …«
    Julia stand am Bett und sah Gerlof an. Er schien alles geplant zu haben.
    »Liegt da nicht alles voller Fischernetze und Zeug?«, fragte
     sie dann. »Schwimmer, Steine und Bottiche mit Teer?«
    »Ist alles weg, ich fische nicht mehr«, sagte Gerlof. »Keiner
     fischt mehr in Stenvik.«
    Julia nahm den Schlüsselbund.
    »Früher kam man kaum in den Schuppen rein, da lag immer so viel Kram herum«, sagte sie. »Ich erinnere mich …«
    »Da ist jetzt aufgeräumt«, unterbrach Gerlof sie. »Deine
     Schwester hat das Bootshaus herausgeputzt.«
    »Soll ich in Stenvik schlafen?«, fragte sie. »Allein?«
     »Das Dorf ist gar nicht so menschenleer. Das sieht nur so
     aus.«
    Eine halbe Stunde nach Ende ihres Besuchs bei Gerlof war
     Julia zurück in Stenvik und stand am dunklen Meer. Der Himmel war bedeckt und voller Schatten. Es dämmerte. Julia
     hätte jetzt gerne etwas getrunken.
    Die Wellen waren schuld, die an diesem Abend sanft und
     leise gegen den Kies und die Steine am Ufer schlugen, bei
     Sturm jedoch mannshoch wurden und mit tiefem Dröhnen
     an Land rollten. Sie konnten alles Mögliche vom Boden des
     Sunds mit sich führen – Wrackteile, tote Fische oder Knochensplitter.
    Julia wollte nicht so genau sehen, was alles zwischen den
     Steinen am Strand lag. Sie hatte seit damals nicht ein einziges Mal in Stenvik gebadet.
    Sie drehte sich um und blickte zu dem kleinen Bootshaus
     hinauf. Es sah winzig und verlassen aus.
    Julia begriff nicht, warum sie sich darauf eingelassen
     hatte, dort zu schlafen, aber für eine Nacht würde es schon
     gehen.

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