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Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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nicht einfach bleiben?«, fragte Astrid. »Du
     bleibst doch auf jeden Fall bis zu Ernsts Begräbnis, oder?«
    Julia schüttelte erneut den Kopf.
    »Ich muss meiner Schwester das Auto zurückbringen.«
     Das war ein ziemlich erbärmlicher Grund, immerhin gehörte der Ford zur Hälfte ihr, aber es war das Einzige, was ihr
     einfiel. »Ich fahre morgen Abend oder spätestens übermorgen.«
    Mit einiger Mühe erhob sie sich vom Tisch. Ihre Beine
     waren nach dem Wein nicht mehr ganz zuverlässig.
    »Vielen Dank für das Essen, Astrid«, sagte sie.
    »Gern geschehen, das war richtig gemütlich«, erwiderte
     Astrid und lächelte zur Abwechslung herzlich. »Wir müssen
     uns noch einmal sehen, bevor du zurückfährst. Oder auf jeden Fall, wenn du das nächste Mal nach Stenvik kommst.«
    »Das tun wir«, sagte Julia und streichelte Willy zum Abschied.
    Es war noch früh am Abend, und sie musste zum Glück
     nicht durch die Dunkelheit stolpern.
    »Komm zu mir, wenn du Angst im Dunkeln hast«, rief
     Astrid ihr hinterher. »Denk daran, dass wir die letzten drei in
     Stenvik sind, du, ich und John Hagman. Dreihundert Menschen haben hier mal gelebt, wir hatten sogar eine Art Vereinsheim der Anonymen Alkoholiker, einen Betsaal und eine
     ganze Perlenschnur von Windmühlen am Wasser. Und jetzt
     sind nur noch wir drei übrig.«
    Dann schloss sie die Tür, ehe Julia etwas erwidern konnte.
    Julia hatte den Schlüssel von Gerlofs Sommerhaus behalten,und nach ein paar hundert Metern auf der Landborg
     wandte sie der Küste den Rücken zu. Mit großen Schritten
     ging sie die Hauptstraße entlang, warf einen Blick in Vera
     Kants Garten und überlegte kurz, ob Vera ihren geliebten
     Sohn vor ihrem Tod noch einmal gesehen hatte oder nicht.
    Der Garten lag still und war voller Schatten. Julia ging zum
     Sommerhaus, schloss auf und machte Licht im Flur.
    Hier gab es keine Schatten. Jens war im Wohnzimmer, aber
     nur als zarte Erinnerung. Jens war tot.
    Sie wusch sich im Badezimmer, ging auf Toilette und
     putzte sich die Zähne.
    Dann löschte sie das Licht. Als Letztes holte sie ihr Handy,
     das sie zum Aufladen im Sommerhaus liegen gelassen hatte.
     Sie blieb im Flur vor dem großen Fenster stehen und wählte
     die Nummer des Altersheims.
    »Davidsson.«
    »Hallo, ich bin’s.«
    »Hallo«, sagte Gerlof. »Wo bist du?«
    »Im Sommerhaus. Ich war zum Abendessen bei Astrid, und
     jetzt laufe ich gleich zum Bootshaus und gehe schlafen.«
    »Schön. Worüber habt ihr euch unterhalten?«
     Julia dachte nach.
    »Wir haben über Stenvik geredet … und darüber, was mit
     Nils Kant passiert ist.«
    »Hast du das Buch noch nicht gelesen, das ich dir gegeben
     habe?«, fragte Gerlof.
    »Ich habe es nur überflogen«, antwortete Julia und wechselte schnell das Thema: »Wollen wir nicht bald nach Borgholm fahren?«
    »Doch, das hatte ich eigentlich vor«, sagte Gerlof, »falls ich
     hier freibekomme. Ich glaube, bald muss man sich bei Boel
     eine schriftliche Genehmigung holen, wenn man das Heim
     verlassen will.«
    Das war Gerlofs Humor.
    »Solltest du die Genehmigung erhalten«, sagte Julia, »komme ich dich morgen gegen halb zehn abholen.«
    Plötzlich verstummte sie und lehnte sich gegen die Fensterscheibe. Sie hatte etwas gesehen, ein schwaches Licht …
    »Hallo?«, rief Gerlof. »Bist du noch dran?«
    »Wohnt im Nachbarhaus jemand?«, fragte Julia, den Blick
     nach draußen gerichtet.
    »Welchem Nachbarhaus?«
    »Dem Haus von Vera Kant.«
    »Da hat seit über zwanzig Jahren niemand mehr gewohnt«,
     sagte Gerlof. »Warum?«
    »Ich weiß nicht.«
    Julia versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Jetzt
     konnte sie nebenan kein Licht mehr sehen. Dennoch war sie
     sicher, etwas in einem der Zimmer im Erdgeschoss gesehen
     zu haben.
    »Wem gehört das Haus eigentlich?«, fragte sie.
    »Tja … entfernten Verwandten, nehme ich an«, antwortete Gerlof. »Keiner von denen hat das geringste Interesse
     gezeigt, das Haus instand zu setzen. Du hast ja gesehen,
     wie es im Garten aussieht … und der war schon damals, in
     den Siebzigerjahren, als Vera starb, in einem schlechten Zustand.«
    Vor dem Fenster blieb alles dunkel.
    »Na dann«, sagte Gerlof schließlich. »Wir sehen uns morgen.«
    »Werden wir den Mann finden, der Jens entführt hat?«
    »Das habe ich nicht gesagt«, widersprach Gerlof. »Ich habe
     nur versprochen, dir den Mann zu zeigen, der mir die Sandale geschickt hat. Mehr nicht.«
    »Ist das nicht dieselbe

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