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Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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und
     klappte die Fußstützen seines Rollstuhls aus, damit er seine
     Lackschuhe dort abstellen konnte.
    Gerlof hatte sich mit Maries Hilfe mühsam in seinen einzigen schwarzen Anzug gezwängt, der sauber und gut geschnitten war. Er hatte ihn für die Beerdigung seiner Frau
     Ella gekauft und seither etwa zwanzig Mal tragen müssen:
     eine lange Serie von Beerdigungen guter Freunde und Verwandter, immer in der Kirche von Marnäs. Früher oder später würde er den Anzug auch auf seiner eigenen Beerdigung
     tragen.
    Über den Anzug zog er seinen grauen Mantel, dazu einen
     dicken Wollschal um den Hals und eine Filzmütze, die er tief
     über die Ohren drückte. Die Temperaturen waren an diesem düsteren Tag Mitte Oktober bis um den Gefrierpunkt
     gesunken.
    »Seid ihr so weit?«, fragte Boel aus dem Geschäftszimmer
     kommend. »Wie lange wird das etwa dauern?«
    »Das hängt davon ab, wie inspiriert Pastor Högström heute
     ist«, antwortete Gerlof.
    »Wir können Ihr Mittagessen auch in der Mikrowelle aufwärmen«, schlug Boel vor.
    »Das wäre sehr nett«, sagte Gerlof, der allerdings bezweifelte, dass er nach Ernsts Beerdigung besonders hungrig sein
     würde.
    Er unterstellte der kontrollsüchtigen Boel, dass es ihr gar
     nicht ungelegen kam, wenn Sjögren ihn in den Rollstuhl
     zwang, denn dann hatte sie einen besseren Überblick über
     seine Aktivitäten. Aber er würde bald wieder auf den Beinen
     sein und Jens’ Mörder finden.
    Marie zog sich ein Paar Fingerhandschuhe über und schob
     den Rollstuhl.
    Erst in den Fahrstuhl, dann in die beißende Kälte, die
     Rampe hinunter und auf den Vorplatz hinaus. Frostkalter
     Kies knirschte unter den Rädern, als sie in den menschenleeren Weg zur Kirche einbogen.
    Gerlof biss die Zähne zusammen. Er fühlte sich unerträglichmachtlos in diesem Rollstuhl, versuchte aber, sich zu entspannen.
    »Sind wir spät dran?«, fragte er.
    Es hatte so lange gedauert, ihm den Anzug anzuziehen.
    »Nur ein bisschen«, antwortete Marie. »Aber das war meine
     Schuld … Was für ein Glück, dass wir so nah an der Kirche
     wohnen.«
    »Aber wir müssen wenigstens nicht nachsitzen, was meinen Sie?«, sagte Gerlof, und Marie kicherte höflich.
    Das mochte er an ihr, nicht alle Mitarbeiter im Altersheim
     hatten verstanden, dass es die Pflicht der Jungen war, über
     die Witze der Alten zu lachen.
    Sie näherten sich der Kirche, und Gerlof senkte den Kopf,
     um sein Gesicht vor dem eiskalten Wind zu schützen, der
     vom Kalmarsund über die Insel fegte. Der Seemann in ihm
     erkannte, dass es ein gleichmäßiger und kräftiger Südwestwind war, mit dem man ohne Weiteres – hart am Wind gesegelt – an der schwedischen Küste entlang bis Stockholm
     kommen würde. Dennoch sehnte er sich an so einem Tag
     nicht aufs Wasser. Der Wind hätte die Wellen über die Reling
     gepeitscht, die Kälte hätte das Deck mit Eis überzogen. Nach
     über dreißig Jahren an Land fühlte sich Gerlof tief im Inneren noch immer als Kapitän, aber kein Seemann wollte im
     Winter gerne aufs Wasser.
    Das Läuten der Kirchenglocken klang trostlos und hallte
     über die flache Landschaft. Marie wurde schneller.
    Gerlof hatte es dagegen gar nicht so eilig, zur Beerdigung
     zu kommen – für ihn war sie eher ein Ritual für die anderen
     Trauernden. Er selbst hatte bereits vor einer Woche im Steinbruch Abschied von Ernst genommen. Die Sehnsucht nach
     dem Freund hatte sich mit der Sehnsucht nach seiner Frau
     Ella vermischt und würde ihn begleiten, solange er lebte.
     Gleichzeitig trieb ihn jedoch dieses unheimliche Gefühl um,
     dass Ernst nicht in Frieden ruhte; als würde er ungeduldigdarauf warten, dass Gerlof alle Teile des Puzzles zusammenfügte, das er hinterlassen hatte.
    Mindestens ein Dutzend Autos standen vor der Kirche. Gerlof suchte Julias roten Ford, konnte ihn jedoch nicht entdecken. Aber er sah Astrids Volvo und nahm an, dass die beiden
     zusammen gefahren waren. Wenn seine Tochter überhaupt
     gekommen war.
    Die weiß gekalkte Kirche von Marnäs, die im 19. Jahrhundert erbaut worden war, ragte in den grauen Himmel. Seit
     über tausend Jahren hatten an dieser Stelle christliche Kirchen gestanden. Das war bereits die dritte.
    Sie betraten den Friedhof und beeilten sich, den breiten
     Weg aus Steinplatten hinaufzukommen. Am Eingang wendete Marie den Rollstuhl und zog ihn auf den Hinterrädern über die niedrige Türschwelle durch die geöffnete Kirchentür.
    Gerlof nahm seine Mütze ab,

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