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Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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sie die Küche, währendsie aus dem Gedächtnis Lennarts Nummer eintippte.
     Dann legte sie den Daumen auf die Anruftaste.
    Falls etwas geschehen sollte …
    Mit klopfendem Herzen stieg sie die Treppenstufen in den
     ersten Stock hoch.
    Das Holz knackte leise unter ihren Füßen. Julia legte ihre
     rechte Hand auf das Geländer und setzte ihren Weg nach
     oben fort. Wenn eine Stufe knarrte, setzte sie ihren Fuß an
     eine andere Stelle.
    Über ihr war es stockdunkel.
    Sie gelangte in einen Korridor, der so schmal war wie der
     Flur im Erdgeschoss. Es gab zwei Türen, jeweils am Ende des
     Gangs, beide waren zu. Rechts oder links? Wenn sie noch
     länger stehen blieb, würde sie sich gar nicht mehr bewegen
     können, darum entschied sie sich für die linke Tür. Dort
     schien es weniger dunkel zu sein. Beim Gehen wirbelte sie
     Wollmäuse auf.
    An den Wänden sah man helle Vierecke, die Abdrücke der
     Bilder, die dort gehangen hatten.
    Sie hatte das Ende des Korridors erreicht, schob die Tür auf
     und hielt die Lampe vor sich hoch. Der Raum war klein und
     unmöbliert. Aber er war nicht völlig leer. Julia trat ins Zimmer und zuckte zusammen, als sie eine dunkle Gestalt an der
     Wand unter dem einzigen Fenster des Zimmers liegen sah.
     Nein. Das war kein Mensch, sondern ein Schlafsack. An der Wand darüber klebte eine kleine Sammlung von
     Zeitungsartikeln.
    Julia sah, dass die Ausschnitte vergilbt und mit Nadeln an
     die Wand geheftet waren.
    DEUTSCHE SOLDATEN TOT AUFGEFUNDEN – MIT SCHROTFLINTE HINGERICHTET, stand auf einem der Schnipsel und
     auf einem anderen:
    POLIZISTENMÖRDER WIRD IM GANZEN LAND GEJAGT.
    Und auf einem dritten, weniger vergilbten:
    JUNGE AUS STENVIK SPURLOS VERSCHWUNDEN.
    Von der kleinen Fotografie neben der Überschrift lachte sie
     unbekümmert ein kleiner Junge an, und Julia wurde von jener Verzweiflung übermannt, die sie jedes Mal empfand,
     wenn sie ein Bild ihres Sohns sah. Es gab noch mehr Ausschnitte, aber Julia blieb nicht länger. Sie verließ das Zimmer.
    Sie zögerte. Im Licht der Petroleumlampe sah sie, dass die
     Tür am anderen Ende des Korridors jetzt offen stand. Julia
     spürte, dass dort jemand wartete. Eine alte Frau, die in einem
     Stuhl am Fenster saß.
    Es war ihr Schlafzimmer. Ein kaltes Schlafzimmer voller
     Einsamkeit, Warten und Bitterkeit. Die Frau wartete darauf,
     Gesellschaft zu bekommen, aber Julia war wie gelähmt.
    Sie hörte ein Scharren aus dem Zimmer. Die Frau war aufgestanden. Jetzt näherte sie sich langsam schlurfend der Tür.
    Julia musste weg, musste diesen Ort verlassen. Die Flamme
     der Lampe flackerte, sie rannte los. Schnell zum Treppenabsatz und dann bloß nach unten.
    Sie meinte Schritte hinter sich zu hören und spürte die
     kalte Nähe der alten Frau, deren Hass wie ein harter Stoß in
     den Rücken war. Julia stolperte blind in die Dunkelheit, verfehlte eine Stufe und verlor drei oder vier Meter über dem
     Steinfußboden das Gleichgewicht.
    Sie ruderte mit den Armen und ließ Telefon und Lampe
     fallen.
    Lampe und Handy zersplitterten auf dem Küchenboden.
     Kleine Flammen loderten zwischen den Scherben auf, und
     Julia wusste, dass auch sie gleich auf dem harten Boden aufschlagen würde.
    Sie biss die Zähne zusammen, bereit, dem Schmerz zu begegnen.

19
    A m Tag von Ernst Adolfssons Beerdigung wachte Gerlof im
     nasskalten Morgengrauen auf und fühlte sich, als wäre er in
     der Nacht aus großer Höhe zu Boden gestürzt. Schmerzen in
     Armen und Knien lähmten ihn.
    Das war der Stress, das Sjögren-Syndrom suchte ihn wieder
     heim – es war zum Heulen. Er würde im Rollstuhl fahren
     müssen, um überhaupt in die Nähe der Kirche zu kommen.
    Das rheumatische Syndrom Sjögren war ein Weggefährte,
     kein Freund – obwohl Gerlof oft versucht hatte, ihn willkommen zu heißen und zu entwaffnen, indem er sich entspannte
     und ihn freundlich grüßte, sobald er ihn überfiel, aber das
     Syndrom war unerbittlich, es stürzte sich auf ihn und bohrte
     sich in seine Gelenke, zerrte an den Sehnen, trocknete seinen
     Mund aus und bescherte ihm brennende Augen.
    Gerlof ließ den Schmerz gewähren, bis dieser müde wurde.
     Er lachte Sjögren ins Gesicht.
    »Ich sitze wieder im Kinderwagen«, kommentierte er seinen Zustand nach dem Frühstück.
    »Ach, Sie sind bald wieder auf den Beinen, Gerlof«, beruhigte Marie ihn.
    Sie war die Schwester, die an diesem Tag für ihn zuständig
     war. Marie legte ihm ein kleines Kissen in den Rücken

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