Oelspur
schnaufend in einen der großen Sessel fallen.
»Tut mir leid, ich wurde aufgehalten«, sagte er. Dann ließ er seinen Blick von Anna zu mir wandern.
»Ich habe Sie das bisher nicht gefragt, aber ich muss diese Frage jetzt stellen: Was ist das für Geld, und woher haben Sie es?«
»Es ist auf jeden Fall echt, und ich glaube, es ist sauberes Geld. Man hat uns versichert, dass es nirgendwo registriert oder irgendwie gekennzeichnet ist, und ich denke, das stimmt. Wir haben ja auch schon einiges davon ausgegeben, ohne Probleme zu bekommen. Dass wir mit dem Geld irgendwo auffallen und dann zwangsläufig über seine Herkunft plaudern, war sicherlich nicht im Interesse der Leute, von denen wir es haben. Das Geld wurde uns gegeben, um uns das Maul zu stopfen, und wir werden es ein wenig zweckentfremden. Ihr einziges Problem mit dem Geld wird das Finanzamt sein.«
Verlaine grinste erleichtert und machte eine verächtliche Handbewegung.
»Wir sind in Belgien, Monsieur. Aber lassen Sie uns jetzt zum eigentlichen Zweck dieses Treffens kommen. Das war eine arbeitsreiche Woche, aber wir waren sehr erfolgreich, und ich glaube, Sie werden zufrieden sein.«
Er warf seinem Sohn einen auffordernden Blick zu.
»Gut«, sagte der junge Verlaine. »Also, Dr. Nyström, wir sind so verfahren, wie Sie es gewünscht haben. Wir haben alle zwölf Mitarbeiter unserer Agentur für eine Woche nur auf diesen Fall angesetzt. Mein Vater und ich haben selbstverständlich auch mitgearbeitet. Hinzu kommen ein paar V-Leute aus dem Brüsseler Rotlichtmilieu und vier freie Mitarbeiter aus dem belgischen Polizeiapparat, die uns auf die eine oder andere Art verpflichtet sind. Während ein Teil des Teams die Zielperson nahezu lückenlos observiert hat, hat sich der andere Teil mit der Vergangenheit von Monsieur Morisaitte beschäftigt. Das war der weitaus schwierigere Teil des Auftrags. Jacques Teerboom wird die Ergebnisse für Sie zusammenfassen.«
Teerboom drückte auf eine Taste seines Laptops, und auf dem großen Plasmabildschirm erschien Morisaittes Foto.
»Yves Morisaitte ist seit dem Jahr 2001 in Brüssel polizeilich gemeldet. Er hat ein Apartment in Anderlecht und wohnt allein. Er arbeitet, wie wir wissen, bei International Maritime Solid Solutions, ist aber nicht jeden Tag in der Firma. Er zahlt Steuern und hat in Belgien noch nicht einmal einen Strafzettel bekommen. Aber wo war er vor 2001? Offenbar nicht in Belgien. Wir haben gute Beziehungen zu den Meldebehörden und ein paar Kontakte zur Polizei. Ein Yves Morisaitte, auf den Alter und Beschreibung unseres Mannes zutreffen, hat vorher in Belgien nirgendwo gewohnt oder gearbeitet, zumindest nicht offiziell.«
»Haben Sie trotz des wallonischen Namens auch in Flandern sorgfältig recherchiert?«, fragte Anna.
»Selbstverständlich, Madame, aber ich versichere Ihnen, dass er vorher woanders war. Bitte lassen Sie mich der Reihe nach erzählen. Dr. Nyström, Sie hatten eine gute Nase, was die Verbindung zum Balkan angeht, und auch der Hinweis mit den Deutschkenntnissen war sehr nützlich. Ich muss hier ein wenig weiter ausholen, aber das ist notwendig, um zu verstehen, mit wem wir es zu tun haben.«
Teerboom betätigte erneut eine Taste, und Morisaittes Gesicht wurde von einer farbigen Zeittafel abgelöst, die mit zahlreichen Spiegelstrichen offenbar einen historischen Ablauf verdeutlichen sollte.
»Der Krieg in Jugoslawien, speziell in Bosnien und im Kosovo, gehört zu den rabenschwarzen Kapiteln der europäischen Nachkriegsgeschichte, die in Sachen Mord und Totschlag weiß Gott einiges zu bieten hat.
Wie Sie wissen, gründete Tito nach dem Zweiten Weltkrieg die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien, ein Gebilde aus sechs Teilrepubliken und zwei autonomen Provinzen, das sich als erstaunlich stabil erwies. So lange jedenfalls, bis Tito 1980 starb. Danach verschärften sich die Nationalitätenkonflikte in dem Vielvölkerstaat, und besonders im Kosovo kam es zu blutigen Streitigkeiten zwischen Serben und Albanern.
Im Jahre 1991 bricht Jugoslawien endgültig auseinander. Es kommt in verschiedenen Teilen des Landes zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, und überall dort, wo im früheren Jugoslawien verschiedene Bevölkerungsgruppen friedlich zusammengelebt hatten, kommt es zu gewaltsamen ethnischen ›Säuberungen‹. Dies gilt besonders für den Kosovo und Bosnien-Herzegowina.
Diese ethnischen ›Säuberungen‹ stellen die eine besonders widerliche Spezialität
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