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Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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eng bedruckten Briefbogen zu uns herüber.
    »Ich habe natürlich versucht, mich so weit wie möglich dagegen abzusichern, dass er sich keine Mühe gibt oder wahllos auf jemanden zeigt, nur um schnell das Geld zu kassieren. Deshalb habe ich ihn diese eidesstattliche Erklärung unterschreiben lassen. Mirko schien nicht zu wissen, dass die Erklärung in dieser Form keine juristische Bedeutung hat, und war mächtig beeindruckt. Aber das hätte es gar nicht gebraucht. Schauen Sie, ein bisschen Menschenkenntnis habe ich auch, und ich sage Ihnen: Das war eine spontane und glaubwürdige Identifizierung.«
    Anna schien immer noch zu zweifeln, aber ich schloss die Augen und versuchte mich an seine Stimme zu erinnern. Eine nicht unfreundliche, kultivierte und gleichzeitig arrogante und unerbittliche Stimme. Die Stimme eines Mannes, der absolut sicher ist, dass er bekommt, was er will, ohne dabei böse gucken zu müssen. Eine Stimme, die zu dem Mann auf dem Foto durchaus passte. Und sein Gesicht passte zu der Tatsache, dass Helen sich trotz ihrer Angst noch mit ihm getroffen hatte, obwohl sie eigentlich schon auf der Flucht war. Es war sein Gesicht, dem sie vertraut hatte. »Heute Abend treffe ich zum letzten Mal einen Informanten, und morgen früh bin ich weg«, hatte sie in ihrem Abschiedsbrief an mich geschrieben. Ich biss mir auf die Unterlippe und starrte aus dem Fenster.
    Der alte Verlaine ging zu seinem Schreibtisch und drückte auf einen Knopf der Gegensprechanlage. Augenblicke später brachte eine schicke Sekretärin ein Tablett mit Kaffee und Cognac herein. Er goss fünf Gläser halb voll und prostete mir zu. Ich schob ihm meinen Aktenkoffer mit den abgezählten vierhunderttausend Euro über den Tisch und hob ebenfalls mein Glas.
    »Wie geht’s jetzt weiter?«, fragte Verlaine.
    »Sie haben eine Woche. Beobachten Sie den Mann, und finden Sie heraus, was immer es über ihn herauszufinden gibt. Ich will wissen, ob er Familie hat, wohin er geht, wo er wohnt und mit wem er schläft. Finden Sie heraus, ob er feste Gewohnheiten hat. Stellen Sie fest, wann er nach Brüssel gekommen ist und woher er kam. Ich habe den Verdacht, dass er kein Belgier ist, sondern ursprünglich aus Serbien, Bosnien oder Albanien stammt. Andererseits spricht er so gut Deutsch wie jemand, der mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen ist. Informieren Sie sich über den Bosnienkrieg und insbesondere über Massaker und Kriegsverbrechen, die in dieser Zeit begangen wurden. Schauen Sie sich die Fahndungslisten von Interpol und die des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag an. Lassen Sie Ihre Beziehungen spielen. Setzen Sie alle Ihre Leute für diesen Fall ein, und arbeiten Sie rund um die Uhr. Und lassen Sie sich nicht erwischen. Wenn er Sie bemerkt, wird er möglicherweise untertauchen.«
    »Das ist ein großes Programm für eine Woche«, sagte Verlaine junior und fing sich für diese Bemerkung einen finsteren Blick seines Vaters ein.
    »Eine halbe Million Euro sind eine Menge Geld für eine Woche Arbeit!«
    »Keine Sorge«, sagte der Alte bedächtig, »Sie bekommen was für Ihr Geld.«

Einundvierzig
    E
    s war die längste Woche meines Lebens. Anna und ich hatten jeden Spaß am Touristenleben verloren und verbrachten die meiste Zeit im Hotel. Wir waren nervös, ungeduldig und gereizt. Ich hatte meine Mutter in Schweden von einer Telefonzelle aus angerufen, um mich abzulenken, und war schon nach drei Minuten mit ihr in Streit geraten. Als sie mich ermahnte, Gunnars Gewehr pfleglich zu behandeln, hätte ich ihr beinahe erzählt, wie die Freunde des Mannes, den ich damit erschossen hatte, es an einem Baum zerschlagen hatten. Anna schleppte sich von Mahlzeit zu Mahlzeit und hatte nicht mal mehr Appetit auf ihre Fingernägel. Als wir uns am siebten Tag in dem Hochhaus am Leopoldpark wiedertrafen, lagen zumindest bei uns die Nerven blank. Wir saßen herum und warteten auf den alten Verlaine. Ich war stocksauer wegen seiner Verspätung.
    Jacques Teerboom stand auf, um einen der großen Plasmabildschirme ein wenig mehr in unsere Richtung zu drehen, und setzte sich dann mit seinem Notebook auf den Knien wieder zu uns auf die Couch. Anna saß neben mir und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf ihren Knien herum. Teerboom warf dem jungen Verlaine einen fragenden Blick zu, und der zuckte ratlos mit den Schultern.
    Dann ging die Tür auf, und Verlaine senior stapfte mit dreißigminütiger Verspätung herein. Er gab Anna und mir die Hand und ließ sich

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