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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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nichts, aber auch gar nichts mit der Sicherheit des Planeten zu
tun hatte.
    Er hatte versagt und damit auch Ararat im Stich gelassen.
    »Scorp? Alles in Ordnung?«
    Das war Khouri. Sie saß im abgedunkelten Teil des Shuttles.
Auras Brutkasten wurde nach wie vor von Valensins Servomaten
überwacht, aber Khouri ließ es sich nicht nehmen, ihn
selbst im Auge zu behalten. Scorpio hatte immer wieder gehört,
wie sie leise mit dem Kind redete und ihm sogar vorsang. Das fand er
merkwürdig, schließlich bestand eine neuronale Verbindung
zwischen den beiden.
    »Es geht mir gut«, sagte er.
    »Du wirkst geistesabwesend. Denkst du über die
Geschehnisse im Eisberg nach?«
    Er war überrascht. Normalerweise war sein Gesichtsausdruck
für Menschen nicht zu durchschauen. »Nun ja, wir sind
natürlich in diesen kleinen Krieg verwickelt, und ich bin nicht
sicher, ob irgendeiner von uns die nächste Woche noch erlebt,
aber davon abgesehen…«
    »Der Krieg belastet uns alle«, sagte sie, »aber bei
dir ist es mehr als das. Bevor wir losfuhren, um Aura zu suchen,
warst du noch nicht so schwermütig.«
    Er ließ sich vom Shuttle einen Stuhl in Schweinehöhe
bereitstellen und setzte sich zu ihr. Valensin war eingenickt und
riss immer wieder den Kopf hoch, konnte sich aber nicht wach halten.
Sie waren alle erschöpft und schleppten sich nur noch mit
letzter Kraft weiter.
    »Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr mit mir
reden«, sagte er.
    »Warum sollte ich nicht?«
    »Du hattest mich um etwas gebeten, und ich habe dir die Bitte
abgeschlagen.« Er deutete auf Aura, um kein Missverständnis
aufkommen zu lassen. »Ich dachte, du würdest mich
dafür hassen. Ich könnte es dir nicht verdenken.«
    »Es hat mir tatsächlich nicht gefallen.«
    »Siehst du?« Er breitete resigniert die Arme aus.
    »Aber die Schuld lag nicht bei dir, Scorp. Nicht du
hast verhindert, dass man mir mein Kind wieder einpflanzte. Es war
die Situation, die Schwierigkeiten, in denen wir stecken.
    Du hast nur getan, was du für richtig hältst. Ich bin
noch nicht darüber hinweg, aber du brauchst dir deshalb wirklich
keine Vorwürfe zu machen. Wir sind im Krieg. Da werden
Gefühle verletzt. Ich kann es verkraften. Ich habe meine Tochter
ja noch.«
    »Sie ist wunderschön«, sagte Scorpio. Es war nicht
seine ehrliche Meinung, aber er hielt die Bemerkung unter den
Umständen für angebracht.
    »Wirklich?«, fragte sie.
    Er betrachtete das zerknitterte, rosarote Etwas.
»Wirklich.«
    »Ich fürchtete schon, du würdest sie hassen, Scorp.
Du musstest einen so hohen Preis für sie bezahlen.«
    »Clavain hätte sie nicht gehasst«, sagte er.
»Und das genügt mir.«
    »Danke, Scorp.«
    Eine Weile schwiegen sie beide. Über sich konnten sie durch
den transparenten Rumpf das Feuerwerk beobachten. Etwas – eine
Waffe, ein Waffensystem, das Ararat umkreiste – zeichnete Linien
an den Himmel, Bögen, Winkel und gerade Striche. Jedes Zeichen
blieb etliche Sekunden vor dem schwarz-violetten Hintergrund stehen,
bevor es erlosch. Scorpio konnte den Blick nicht davon wenden. Er
hatte das Gefühl, es handle sich um eine geheime Botschaft, aber
sein Verstand sei zu träge, um sie zu entschlüsseln.
    »Da ist noch etwas«, sagte er leise.
    »Geht es um Aura?«
    »Nein. Es geht um mich. Du warst nicht dabei, aber ich habe
heute einen Menschen verletzt.« Scorpio schaute auf seine
kleinen Kinderschuhe hinab. Er hatte sich bei der Stuhlhöhe
etwas verschätzt, seine Füße reichten nicht ganz bis
zum Boden.
    »Du hattest sicherlich deine Gründe«, sagte
Khouri.
    »Nein, und das ist es ja, was mich nicht loslässt. Ich
war einfach blind vor Wut. Es war eine Kurzschlusshandlung, der
Jähzorn hat mich überwältigt, obwohl ich seit
dreiundzwanzig Jahren glaubte, mich fest in der Hand zu
haben.«
    »Jeder kennt solche Tage«, sagte sie.
    »Ich gestatte sie mir normalerweise nicht. Seit
dreiundzwanzig Jahren bemühe ich mich, solche Fehler nicht zu
machen. Und heute habe ich versagt. Heute habe ich in einem
Augenblick der Schwäche alles über Bord geworfen.«
    Sie schwieg. Scorpio verstand es als Aufforderung,
fortzufahren.
    »Ich hasste die Menschen. Ich glaubte, gute Gründe
dafür zu haben.« Er öffnete seinen Lederrock und legte
die rechte Schulter frei. Er war dreißig Jahre älter
geworden – von späteren, frischeren Wunden ganz zu
schweigen –, deshalb war die Narbe nicht mehr ganz so auffallend
wie früher. Dennoch huschten Khouris Augen kurz zur Seite, bevor
sie sich

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