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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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    »Ich wollte nur, dass du das weißt«, sagte John
Brannigan.
    In diesem Augenblick begann der Boden der Lichtung zu zittern.
Antoinette hatte es kaum registriert, als sie auch schon spürte,
wie ihr Gewicht anstieg. Sie wurde auf den groben Stamm gepresst. Der
Druck war sanft, aber das war nicht verwunderlich. Ein Schiff mit
einer Masse von etlichen Millionen metrischen Tonnen schwang sich
nicht mir nichts, dir nichts ins All. Schon gar nicht, wenn es
dreiundzwanzig Jahre lang einen Kilometer tief im Wasser gestanden
hatte.
     
    Über der Bucht waren Land und Meer bis zum Horizont so hell,
als sei es über Ararat plötzlich wieder Tag geworden. Vasko
sah zunächst nur eine mächtige Dampfsäule, einen
Schwall von kochendem Wasser, der zuerst die unteren Schiffsteile und
dann das ganze grün verkleidete Gebilde verschlang. Durch den
Dampf leuchtete blauweißes Licht wie von einer Laterne in einem
Haufen Zellstoff. Obwohl der Shuttlerumpf sich verdunkelte, war es so
grell, dass ihm die Augen wehtaten. Dann färbte es sich violett
und hinterließ rosa gezackte Nachbilder auf seiner Retina. In
weitem Umkreis der Dampfsäule leuchtete das Wasser in hellem
Türkis. Ein herrlich exotisches Schauspiel, wie er es in seinem
zwanzigjährigen Leben noch nicht gesehen hatte.
    Nun bäumten sich die Fluten um das Schiff herum auf, die
Oberfläche stieg um etliche hundert Meter. Unter Wasser wurden
gewaltige Energien freigesetzt und ließen anschwellende Blasen
aus superdichtem, superheißem Plasma entstehen.
    Die Wassermauer entfernte sich in zwei konzentrischen Wellen von
der Sehnsucht nach Unendlichkeit.
    »Ist sie weit genug jenseits der Landspitze?«, fragte
Vasko.
    »Das werden wir gleich erfahren«, antwortete
Scorpio.
    Auf dem Wasser schwamm eine Kruste aus grüner Biomasse, die
sich nicht schnell genug biegen konnte, als die Welle kam, und in
einzelne Platten zerbrach. Die Welle raste mit mehreren hundert
Metern pro Sekunde dahin. In wenigen Augenblicken würde sie auf
die niedrigen Felsbarrieren vor der Bucht treffen.
    Vasko schaute zurück zum Zentrum. Das Schiff begann zu
steigen, der Bug durchstieß die Dampfschicht. Die Bewegung war
so glatt und gleichmäßig, als tauche eine feste Landmarke
– ein uralter, sturmerprobter Leuchtturm auf einem hohen
Vorgebirge vielleicht – aus dem Morgennebel auf.
    Er hielt sich die Hand über die Augen und beobachtete, wie
sich der erste Kilometer der Sehnsucht nach Unendlichkeit aus
dem Dampf schob. Das Schiff war fast frei von Schieberbiomasse: Nur
ein paar grüne Strähnen hafteten noch am Rumpf. Der
nächste Kilometer kam in Sicht. Grüne Stränge –
dicker als Häuser – lösten sich unter der
Beschleunigung und glitten ab.
    Die Helligkeit wurde unerträglich. Der Shuttlerumpf
verdunkelte sich weiter, um seine Insassen zu schützen. Jetzt
hatte das Schiff den Ozean vollends verlassen. Durch die nahezu
undurchsichtigen Wände sah Vasko nur zwei harte helle Punkte
rasch nach oben steigen.
    »Jetzt gibt es kein Zurück mehr«, bemerkte er.
    Scorpio wandte sich an Khouri. »Ich werde ihm folgen, wenn du
nichts dagegen hast.«
    Khouri warf einen Blick auf ihre Tochter. »Ich höre
nichts von Aura, Scorp, aber ich bin sicher, dass Remontoire
dahintersteckt. Er sagte immer, er würde eine Nachricht
schicken. Wir müssen ihm wohl vertrauen, wir haben keine andere
Wahl.«
    »Ich hoffe nur, es ist wirklich Remontoire«, sagte
Scorpio.
    Doch er hatte sich bereits entschieden und erteilte seine
Anweisungen. Alle sollten sich Sitze formen lassen und sich auf den
Flug in den Orbit vorbereiten. Vasko ging nach hinten, um sich um den
Sitz zu kümmern, doch als er sich niederlassen wollte, sah er,
dass der Boden des Rumpfes wieder durchsichtig geworden war. Unter
ihm lag, vom aufsteigenden Schiff wie von einer Fackel erhellt, wie
eine Halluzination Lager eins. Das Gitter aus Straßen und
Gebäuden erinnerte an ein gestochen scharfes
Schwarz-Weiß-Foto. Zwischen den Gebäuden eilten die
Menschen als kleine Schatten umher. Er schaute zur Bucht hinaus. Die
Wasserwand war gegen die Landspitze geprallt und hatte viel von ihrer
Kraft verloren, war aber nicht völlig abgefangen worden. Mit
einem quälenden Gefühl der Ohnmacht verfolgte er den Rest
der Flutwelle über die Bucht und sah sie langsamer werden, an
Höhe gewinnen und gegen den ansteigenden Strand schlagen. Sie
verschlang die Uferlinie, zog sie neu, schwappte über
Straßen und Gebäude hinweg. Irgendwann kam sie

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