Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
zwang, fest hinzusehen.
    »Das haben dir die Menschen angetan?«
    »Nein. Das war ich selbst, mit einem Laser.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Ich wollte etwas ausbrennen.« Er fuhr die Ränder
der Narbe nach, jede Falte, jeden Fleischwulst. »Ich hatte an
dieser Stelle eine Tätowierung, einen grünen Skorpion. Es
war ein Brandmal, doch das war mir anfangs nicht klar. Ich hielt ihn
für ein Ehrenzeichen und war stolz darauf.«
    »Das tut mir Leid, Scorp.«
    »Ich hasste die Menschen für dieses Mal und dafür,
was sie aus mir gemacht hatten. Aber ich habe es ihnen heimgezahlt
Ana. Weiß Gott, das habe ich getan.«
    Er machte den Rock wieder zu. Khouri beugte sich vor und half ihm
bei den Verschlüssen. Sie waren besonders groß, eigens
für plumpe Finger gemacht.
    »Das war dein gutes Recht«, sagte sie.
    »Ich dachte, ich wäre darüber hinweg. Ich dachte,
ich hätte es endgültig ausgeschwitzt.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das wird nie geschehen,
Scorpio. Glaube mir, diese Wut wirst du niemals los. Was mir passiert
ist, lässt sich nicht damit vergleichen – versteh mich
bitte nicht falsch. Aber ich weiß, wie es ist, etwas zu hassen,
das man nicht zerstören kann, was immer außer Reichweite
bleibt. Man hat mir meinen Mann genommen, Scorp. Gesichtslose
Armeebürokraten haben Mist gebaut und ihn von meiner Seite
gerissen.«
    »Tot?«, fragte er.
    »Nein. Nur unerreichbar. Dreißig Jahre entfernt, am
anderen Ende eines verdammten Weltraumfluges. Eigentlich könnte
er auch tot sein. Aber so ist es noch schlimmer.«
    »Du irrst dich«, sagte er. »Das ist genauso schlimm
wie alles, was man mir angetan hat.«
    »Mag sein. Ich weiß es nicht. Es steht mir nicht zu,
solche Vergleiche anzustellen. Ich weiß nur eines: Ich habe
versucht zu vergeben und zu vergessen. Ich habe mich damit
abgefunden, dass Fazil und ich uns niemals wiedersehen werden. Ich
habe sogar akzeptiert, dass Fazil wahrscheinlich längst tot ist,
wo immer er letztendlich gelandet sein mag. Ich habe eine Tochter von
einem anderen Mann. Das nennt man vermutlich weiterziehen.«
    Er wusste, dass auch der Vater ihres Kindes tot war, doch als sie
ihn erwähnte, blieb ihre Stimme vollkommen ruhig.
    »Nicht weiterziehen, Ana. Nur weiterleben.«
    »Ich wusste, dass du mich verstehen würdest, Scorp. Und
du verstehst auch, was ich zum Thema Vergeben und Vergessen sagen
will, nicht wahr?«
    »Dazu wird es nie kommen, nicht wahr?«
    »Nicht in einer Million Jahren. Wenn einer dieser Leute jetzt
diesen Raum beträte – einer der Dummköpfe, die mit
ihrer Fahrlässigkeit in einem einzigen Moment mein ganzes Leben
verpfuscht haben –, ich glaube, ich könnte mich nicht
beherrschen. Was ich sagen will, der Zorn erlischt nicht. Das
Feuerchen wird kleiner, aber es wird auch heißer. Wir schieben
es ganz nach hinten und schüren es weiter, damit es niemals
ausgeht. Er hält uns auf Trab, Scorp.«
    »Trotzdem habe ich versagt.«
    »Nein, du hast nicht versagt. Wenn du deinen Zorn
dreiundzwanzig Jahre lang unterdrücken konntest, war das eine
beachtliche Leistung. Heute war er also stärker als du.«
Sie wurde plötzlich wütend. »Na und? Verdammt, na und?
Du musstest in diesem Eisberg etwas erleben, was ich keinem dieser
Bürokraten wünschen würde, Scorp. Ich weiß, was
Clavain dir bedeutet hat. Du bist durch die Hölle gegangen.
Verwunderlich ist nicht, dass du einmal den Kopf verloren hast,
sondern dass du überhaupt bei Verstand geblieben bist. Ehrlich,
Scorp.« Ihre Wut legte sich, ihre Stimme wurde eindringlich.
»Du darfst dich nicht überfordern, Mann. Was da
draußen passiert ist, war kein Nachmittagsspaziergang. Es ist
dein gutes Recht, ein paar Schläge auszuteilen,
o. k.?«
    »Es war nicht nur ein einfacher Boxhieb.«
    »Wird der Kerl durchkommen?«
    »Ja«, gab er widerwillig zu.
    Khouri zuckte die Achseln. »Dann beruhige dich wieder. Die
Menschen hier brauchen jetzt einen Führer, der stark ist, aber
keinen, der sich mit Selbstvorwürfen zerfleischt.«
    Er stand auf. »Danke, Ana. Danke.«
    »Konnte ich helfen, oder habe ich alles nur noch schlimmer
gemacht?«
    »Du hast mir geholfen.«
    Der Stuhl verschwand wieder in der Wand.
    »Gut. Auf andere einzureden, ist nämlich nicht gerade
meine Stärke. Im Grunde bin ich einfach nur ein Frontschwein,
Scorp. Fern der Heimat, mit Maschinen im Kopf, die mir unheimlich
sind, und mit einer Tochter, die ich vielleicht niemals verstehen
werde. Aber immer noch ein Frontschwein.«
    »Ich war immer darauf

Weitere Kostenlose Bücher