Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Offene Rechnungen

Offene Rechnungen

Titel: Offene Rechnungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacobsen Harald
Vom Netzwerk:
Nähe zum Stadttheater seinen Lügen mehr Überzeugungskraft verliehen, auf jeden Fall konnten sie ins Reihenhaus einziehen.
»Wäre doch nur diese dämliche Stelle vernünftig besetzt worden«, murmelte Robert vor sich hin.
Anfangs lief scheinbar alles nach Plan. Der Kollege, den er eigentlich nur vertreten sollte, musste aus gesundheitlichen Gründen frühzeitig pensioniert werden. Als Rektor Bolzin ihm die Neuigkeit mit einem wissenden Augenzwinkern unterbreitete, sah Robert sich bereits am Ziel seiner Wünsche. Dann rief der Rektor ihn zu sich und eröffnete Robert die tatsächliche Entscheidung des Kultusministeriums. Es war der berühmte Tiefschlag für Robert geworden. Vorerst sollte die Stelle weiterhin auf Angestelltenbasis besetzt und auch in den Stunden nur minimal angehoben werden. Oskar Bolzin strahlte glücklich bei der Eröffnung, glaubte allen Ernstes, Robert damit einen Gefallen zu tun. Der musste seine gesamte Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht die Kontrolle über sich zu verlieren. Er akzeptierte die Entscheidung und musste auch noch gute Miene machen, als die Kollegen ihm gratulierten. Zu diesem Zeitpunkt stand sein Lügengebilde erstmals vor dem Zusammenbruch. Elke ahnte nichts und wähnte ihre kleine, heile Welt in bester Ordnung. Sie träumte sogar von weiteren Kindern und einem Leben als Hausfrau und Mutter, was Robert nur in noch größere Verzweiflung trieb. Es kam der Tag, wo er sich seiner Frau stellen wollte.
»Warum musste ich ausgerechnet an diesem Tag die Tasche in der Sporthalle vergessen?«
Robert schüttelte verärgert den Kopf, obwohl er die dabei gemachte Beobachtung damals für einen wahren Glücksfall gehalten hatte. Während er in die Sporthalle ging und seine Tasche mit den verschmutzten Trainingssachen holte, vernahm er zu seiner Überraschung mehrere Stimmen von der Rückseite der Sporthalle. Da sich hier öfter Schüler zum heimlichen Rauchen einfanden, entschloss er sich zum pädagogischen Eingreifen. Robert umrundete die Ecke der Halle und wurde so Zeuge einer Szene, die sein weiteres Leben völlig verändern sollte. Miriam Sonntag und ein ihm unbekannter Teenager hielten Jacken in den Händen, an denen noch die Verkaufsetiketten hingen. Als Robert überraschend auf der Bildfläche erschien, war der Schock so überwältigend, dass der Junge die Jacke einfach fallen ließ und wegrannte. Miriams Flucht konnte Robert durch einen beherzten Sprung verhindern, er verstellte der sichtlich geschockten Schülerin den Weg.
»Was treibst du denn hier?«
Mit ihrer Antwort zog die vierzehnjährige Miriam ihn in eine Welt, die scheinbar die Antwort auf seine flehentlichen Gebete war. Reumütig berichtete sie von einem Kontakt zu einem siebzehnjährigen Gymnasiasten aus Kiel, der ihr Designerkleidung zu unfassbar günstigen Konditionen angeboten hatte. Miriam verfügte nur über ein kleines Taschengeld, daher ging sie bereitwillig auf das offensichtlich krumme Geschäft ein. Irgendwann bot der Junge ihr an, dass sie als Zwischenhändlerin an ihrer Schule tätig werden könnte. Die Aussichten, auf diese Weise ihr Taschengeld noch mehr aufbessern zu können, lockten zu sehr. Miriam ließ sich auch darauf ein und nun hatte Robert sie bei der Abwicklung ihrer kriminellen Geschäfte erwischt. Sein erster Impuls war tatsächlich gewesen, die Schülerin zur Polizei zu bringen und ihre Geschäfte so zu unterbinden. Doch die von Miriam genannten Beträge aus dem Handel mit den illegalen Kleidungsstücken schwirrten beständig durch seinen Kopf.
»Wenn Sie mich nicht verraten, können Sie ins Geschäft einsteigen. Bisher verticke ich die Sachen nur an unserer Schule. Ich könnte aber noch viel mehr Sachen loswerden, wenn mir jemand bei der Beschaffung der Ware helfen würde. Wir teilen uns dann den Gewinn.«
Mit einem unfassbaren Instinkt hatte Miriam die Schwäche bei ihrem Lehrer gespürt und wagte es, ihm das verführerische Angebot zu unterbreiten. Damals sah Robert nur diesen Ausweg aus seinem Dilemma und ging auf den Vorschlag ein. Es lief eine Weile ganz hervorragend und er spielte den Kurier für die Teenagerin, die Unmengen der heißen Ware unter ihren Altersgenossen verkaufte. Nicht nur Teenager aus Rendsburg, sondern auch aus den Umlandgemeinden bis nach Achterwehr und Hohn wurden auf diesem Weg mit Designerkleidung ausgestattet. Doch dann kam es zu diesem nächtlichen Aufeinandertreffen mit Reinhard Sonntag. Vorher war die Cafeteria im Zentrum der ideale Umschlagplatz für die

Weitere Kostenlose Bücher