Oh, diese Verwandschaft!
konnte man Lester nicht mit dem Boxer vergleichen. Auch nicht mit Tim; ein Neufundländer bewahrte trotz aller Ergebenheit stets seine Würde. Höchstens mit Troy war er zu vergleichen. Nur Spaniels hatten diesen Blick; und sie begriff, weshalb Guy Derek immer an Troy erinnerte. Sollte sie mit zwei Männern umgehen müssen, die wie verrückte Spaniels aussahen?
Janice war nicht nur schön anzusehen, sie war auch schön in ihren Bewegungen. Aber das war auch alles. Als sie geziert sagte: »Wie geht es Ihnen?« erlitt Laura ihre erste Enttäuschung. Das war nicht die Stimme einer Göttin; sie sprach mit einem affektierten Akzent, der das Ohr beleidigte. Wie konnte Lester, der eigentlich einen guten Geschmack hatte, nur eine solche Stimme ertragen? Zum Glück wußte das Mädchen wenig zu sagen. Sie lächelte lieb, wenn sie angeredet wurde, und ihre Antworten verrieten die Intelligenz eines Kindes. Ihr Lieblingsausdruck war »O Gott!« aber in ihrem Munde klang das wie »Ooh Gooott!« Und meistens lächelte sie nur reizend als Antwort auf Bemerkungen, die sie nicht verstand. Wie Laura feststellte, war das sehr häufig der Fall.
Erschöpft von ihren Anstrengungen, eine Unterhaltung in Gang zu bringen und ein sie interessierendes Thema zu finden, zog sich Laura in ihre Küche zurück; dort traf sie ihren Mann, der sich versteckt hatte. Über sein Gesicht mußte sie lachen.
»Na, du hast es nicht lange ausgehalten. Ein mühsames Geschäft, wie? Ich habe aber trotzdem gesehen, wie du durch die Tür nach ihr geschaut hast. Ist sie nicht umwerfend?«
Er sah sie zweifelnd an.
»Ich habe so etwas noch nie gesehen.«
»Wie eine schöne Blume!« meinte sie. »Zauberhaft.«
»Du gerätst richtig ins Schwärmen. Aber ich habe nicht sie gemeint. Sie ist genauso, wie du sagst. Ich habe Lester gemeint.«
»Ich weiß. Er hat vollkommen den Verstand verloren. Er sitzt nur da und starrt sie an.«
»Lester! Mit seinem kühlen Intellekt. Und sie hat überhaupt keinen.«
»Man soll nicht vorschnell urteilen. Aber ihren Verstand scheint sie, wenn sie einen hat, gut zu verstecken. Und diese Stimme! Wie hält er die bloß aus! Er verzieht keine Miene, nicht einmal, wenn sie sagt: >Ooh Gooott Sie lachten, doch Derek wurde gleich wieder ernst. »Aber was soll das nur? Wie lange soll das dauern?«
Sie lächelte. »Das wird dein neuester Schlachtruf. Sobald eines der >Waisenkinder< erscheint, brichst du in Wehklagen aus: >Wie lange noch?<«
»Nun, du mußt zugeben...«
»Ach, ich gebe alles zu; aber wir können doch nichts ändern. Ich wollte, ich wüßte, wie Lesters Pläne aussehen.«
Sie waren erleichtert, als sie diese Pläne erfuhren. Das Paar konnte nur übers Wochenende bleiben. Lesters Zeitung beanspruchte ihn am Montag, und Janice war an ihre Boutique gebunden, wie sie sich ausdrückte.
Lester folgte seiner Kusine in die Küche, wo sie schleunigst einen passenden Lunch vorbereitete. Janice ging nach oben, um auszupacken und die kaum wahrnehmbaren Spuren der Fahrt zu beseitigen. »Ich wollte so gern, daß du sie kennenlernst«, sagte Lester, und er, der sich sonst so sarkastisch und überlegen zu geben pflegte, sah auf einmal ganz jung und erwartungsvoll aus.
Laura war sofort besänftigt.
»Kein Wunder, daß du sie uns zeigen wolltest. Ich habe noch nie ein so schönes Gesicht gesehen. Hast du — kennst du sie schon lange, Lester?«
Er redete eifrig wie ein kleiner Junge. »Erst seit einem Monat. Ich lernte sie auf einer Party kennen. Sie ist — sie ist ganz anders als alle Mädchen, die ich kenne.«
»Bestimmt. Ist sie noch sehr jung?«
Er wich aus, und Laura schloß, daß sie älter war als er. Unmöglich zu schätzen bei diesem schönen, ausdruckslosen Gesicht. Sie dachte: Sie ist nicht ganz unerfahren; aber die Männer werden sie schnell satt haben trotz ihres Aussehens. Deshalb hängt sie sich an Lester.
Eifrig redete er weiter. Nein, ihre Familie kannte er nicht. »Heutzutage belastet man sich nicht mit solchen Dingen.« Aber Janice hatte Großmutter gekannt: sie war Kundin in ihrem Geschäft gewesen. Und sie rechnet damit, daß Lester einen Haufen Geld geerbt hat, dachte Laura unfreundlich, aber zutreffend. Nein, sie wären nicht verlobt; so was sei doch gräßlich altmodisch.
»Natürlich, jetzt könntet ihr sowieso noch nicht heiraten«, meinte Laura. Er verzog das Gesicht, und sie fügte eilig hinzu: »Aber was ist mit deinem Buch, Lester? Hast du eine Kopie mitgebracht?«
Sofort kehrte seine alte
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