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Oh, diese Verwandschaft!

Oh, diese Verwandschaft!

Titel: Oh, diese Verwandschaft! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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Augen gesehen zu haben. Aber war Janice überhaupt fähig, über etwas nachzudenken, was nicht ihre äußere Erscheinung betraf?
    Laura war froh, sich fürs erste nicht weiter um die beiden kümmern zu brauchen. Lester konnte für sich selbst sorgen; schließlich war er vierundzwanzig, zwei Jahre älter als Laura selbst. Das »Waisenkind«, das sie im Augenblick am meisten beschäftigte, war Hugh, der ihrem Herzen auch am nächsten stand. Sein Abschluß war in zwei Tagen fällig, und sie machte sich Sorgen, wie er diese neue Phase seines Lebens meistern würde. Vier Jahre lang war die Schule seine Welt gewesen; der Abschied von ihr bedeutete einen tiefen Einschnitt. Seit ihrer Unterhaltung mit seinem Direktor und dessen Frau war Laura um seinetwillen etwas in Unruhe.
    Aber er ist dann hier bei uns zu Hause, sagte sie sich. Würde er hier wohl auch glücklich sein? Er war sensibel, das einzige der »Waisenkinder«, das sich in ihre oder Dereks Lage versetzen konnte. Auf alle Fälle sollte er niemals das Gefühl haben, er wäre ihnen im Wege oder fiele ihnen zur Last. Sie wußte, daß weder sie noch Derek je so empfinden würden. Es war ein Segen, daß Derek wenigstens ihm aufrichtig zugetan war.
    Für Laura war Hugh wie ein jüngerer Bruder. Sie hatte ihn geliebt und behütet, seit er im Alter von fünf Jahren ins Haus gekommen war. Da hatte er so einsam und verloren ausgesehen. Zu jener Zeit war sie selbst schon längst in Brookside daheim gewesen und hatte ihn unter ihre Fittiche genommen. Aus diesem Grund, gestand sie sich mit einem flüchtigen Lächeln, wünschte sie sich eigentlich, daß er für immer dabliebe... Aber das war natürlich Unsinn. Sie wies den Gedanken weit von sich.
    Im allgemeinen war es ziemlich mühsam, Derek einmal von seiner Farm wegzubringen. Aber Hughs Abschlußfeier war etwas Besonderes. »Die meisten Jungen haben ihren Vater dabei«, sagte er nur. Er dachte daran, daß Hugh nie etwas von ihm verlangt hatte, außer daß er Tim gut behandelte. Da kam ihm plötzlich ein Einfall. »Wir wollen seinen Hund mitnehmen«, erklärte er. Und obwohl Laura protestierte, weil der Wagen auf dem Heimweg mit Hugh und all seinen Koffern übervoll sein würde, wiederholte Derek nur: »Doch! Wir nehmen ihn mit.«
    Als er am Morgen ins Auto einstieg, sagte er froh: »Dieses eine Mal kann ich für den Jungen endlich etwas tun. An der Universität braucht man keine Väter mehr. Da kommt man ohne sie aus.«
    Es war wie immer bei Abschlußfeiern: Der Direktor hielt eine kurze, gedankenschwere Ansprache, und der Bischof ließ eine etwas längere folgen, in der er alles, was Mr. Gilbert gesagt hatte, auf salbungsvolle Weise wiederholte. Die Preisverteilung war schnell vorbei, denn es gab nicht viele Preise. Hugh erhielt zwei Auszeichnungen, je eine für Latein und Geschichte, und außerdem bekam er den Preis, der dem Ersten Schulpräfekten zustand. Er erhielt einen ehrenvollen Applaus, als er die Tribüne verließ; aber es war nicht die wilde Klatsch-Orgie, die einem Helden der Schule zuteil wurde. Laura dachte: Er ist nicht so besonders beliebt. Aber er sieht sehr nett aus.
    Nett sah er in der Tat aus; aber seine Züge zeigten eine Anspannung, für die es eigentlich keinen Grund gab. Er hatte fleißig gearbeitet, mehr als es für die Preise nötig gewesen wäre, und er würde bestimmt ein gutes Studienstipendium bekommen. Aber es drängte ihn, die Schule hinter sich zu lassen, um endlich sein eigenes Leben zu leben. Das gab seinem Gesichtsausdruck eine gewisse Schärfe; sein Mund hatte einen fast leidenden Zug.
    »Es wird ihm sauer«, flüsterte Derek. »Gut, daß ich den Hund dabei habe.«
    Das war so Dereks Art, wenn er sich um jemanden sorgte, ging es Laura durch den Kopf.
    Hugh kam zu ihnen, als die Feier kaum zu Ende war; er begrüßte sie herzlich und fragte nach Tim. Derek hielt es für möglich, daß sich gerade jetzt der weiche schwarze Kopf des Hundes durch den Fensterspalt zwängte, den man um seinetwillen offen gelassen hatte. Trotzdem sagte er: »Ich nehme an, daß du dich noch von vielen Leuten verabschieden mußt. Unsertwegen brauchst du nichts zu überstürzen.«
    Aber Hugh erwiderte, alles sei gepackt und fertig, und sie könnten gleich nach dem Tee fahren. Beim Tee sollte er wohl noch ein bißchen helfen.
    Er verschwand für kurze Zeit. Laura kannte eine Menge Leute: Eltern, die ihr danken wollten für die Gastfreundschaft, die sie ihren Söhnen bezeigt hatte; und dann ihre eigenen und Anne

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