Oh, diese Verwandschaft!
ging hungrig nach Brookside hinüber. Hier wurde er von Christines unfreundlichem Schäferhund begrüßt, der ihn von der Veranda aus anknurrte. Reizend, wie man hier an der Tür seiner Schwester von dem wilden Hund einer jungen Frau begrüßt wurde, die eigentlich daheim nach ihrem eigenen Haus und Garten sehen sollte! Ärgerlich brummend ging Joseph um das Haus herum zur Hintertür.
Christine kam soeben von einem Einkaufsbummel, und da ihr Weg sie zufällig an Brookside vorbeiführte, hatte sie keine Lust, selbst für ihren Lunch zu sorgen. Sie zeigte Laura gerade ihr neues Strandkleid, als Joseph eintrat. Auf einem Stuhl lag ein Stoß Bücher aus der Bibliothek, die sie sich an diesem Morgen herausgesucht hatte. Sie hielt das Kleid an sich; es stand ihr ganz entzückend, und ihr schmales Gesicht strahlte. »Was sagst du dazu, Onkel Joseph?«
»Nicht viel«, brummte er. »Aber es ist auch nicht viel dran, um einen Gedanken daran zu verschwenden.« Er warf die Bücher auf den Fußboden und setzte sich. »Lauter dummes Zeug«, knurrte er geringschätzig.
»Schon möglich, daß es dummes Zeug ist«, erwiderte seine Nichte fröhlich. »Aber es bringt Geld ein. Schau dieses Buch hier — eine halbe Million Auflage. Die Frau muß ein Vermögen verdient haben. Sie hat eigentlich nur ein Thema, aber wie sie es variiert!«
»Vermutlich Sex.« Er schob das Buch mit dem Fuß zur Seite.
»So ungefähr. Auf jeder Seite springen die Mädchen in ein anderes Bett. Das ist ganz amüsant, wenn man den ganzen Tag allein ist.« Sie sah wirklich rührend aus.
Nach dem Lunch ging Joseph langsam heim. Ihm war ein Gedanke gekommen. So was bringt Geld ein! Eine halbe Million Exemplare! Bettgeschichten! Warum eigentlich nicht? Es kostete nicht viel, die Mädchen durch die Betten springen zu lassen. Die Tage in Kairo fielen ihm ein, und er dachte, daß er auch die eine oder andere Geschichte erzählen könnte. Natürlich keine hübschen Geschichten; die waren aus der Mode.
Während Laura in der Küche einen Auflauf buk, statt sich ein weiches Ei zu kochen, wie sie es für ihr einsames Mahl vorgehabt hatte, hatte er flüchtig die Seiten des schwarzgelb gestreiften Buches überflogen. Was er da las, erschreckte ihn; denn die Lektüre, die er bevorzugte, nämlich rechtschaffene Western und anständige Krimis, war demgegenüber ziemlich altmodisch. Er fühlte sich abgestoßen, trotzdem dachte er ganz praktisch. Wenn es so ein Buch auf eine halbe Million Exemplare brachte, warum sollte man so etwas nicht auch schreiben? Schließlich... Ein alter Soldat... Onkel Joseph fuhr mit der Hand über sein dichtes weißes Haar, dachte an seine immer noch schlanke Taille und lächelte. Zwecks weiterer heimlicher Lektüre ließ er das Buch in seiner Tasche verschwinden.
Er klagte zwar, daß der viele Curry ihm den Appetit verdürbe, tauchte aber dennoch zum Dinner wieder auf und redete wie von ungefähr über sein Buch.
»Mir scheint, daß ein guter, solider Stoff nicht leicht an den Mann zu bringen ist. Die Leute wollen lieber Romane lesen. Jetzt lege ich meine Memoiren zur Seite und schreibe, was man lesen möchte.«
Laura war überrascht und fragte: »Was für einen Roman willst du denn schreiben?«
Joseph antwortete heiter: »Natürlich werde ich meine Lebenserinnerungen nur so lange zurückstellen, bis ich einen Sex-Roman geschrieben habe. Wenn ein albernes Weib das kann, warum nicht auch ein Mann?« Und mit schlauem Lächeln fügte er hinzu: »Mit männlicher Erfahrung selbstverständlich.«
Einen Augenblick lang nahm sich Laura zusammen, aber als Derek in lautes Gelächter ausbrach, lachte sie fröhlich mit. Man konnte sich Onkel Joseph, altmodisch wie er war, unmöglich im Banne wilder Leidenschaften vorstellen. Aber später sagte sie zu Derek: »Natürlich weiß man nicht, was im Krieg passiert ist.«
»Leider war ich zu jung, um das zu wissen. Aber schließlich ist es egal, was der alte Herr schreibt, wenn es ihn nur glücklich macht — und von hier fernhält.«
»Da hoffst du sicher vergebens. Die Beschäftigung mit Sex, und sei es auch nur auf dem Papier, wird ihn nicht weniger hungrig machen. Er braucht seine zwei Mahlzeiten pro Tag. Es macht mir auch nichts aus, wenn ich rechtzeitig etwas für ihn vorbereiten kann. Gestern war er sehr ärgerlich, als ich ihm zwei Würstchen zum Lunch vorsetzte. Er merkte gar nicht, daß ich selbst keine hatte. So ist das nun mal: Er betrachtet uns als eine Art Restaurant und geht seiner Wege,
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