Oh Happy Dates
lass uns reingehen und es hinter uns bringen.«
Wir haben die besten Plätze im Theater. Mitten im Parkett. Ich folge Marcus. Wir gehören zu den Letzten, die ihre Sitze einnehmen. Zehn Gesichter blicken zu uns auf, verärgert, weil sie aufstehen müssen, um uns zur Reihenmitte durchzulassen.
»Durchlassen, schwangere Frau, schwangere Frau«, ruft er. Ich erröte hinter ihm.
»Das Theater hat so etwas Verschnarchtes, findest du nicht? Backstage ist es viel lustiger. Ich bin in Umkleiden
groß geworden. Frauen in Korsagen haben mich geknuddelt. Himmlisch. Ich liebe Schauspieler.«
Und ich liebe es, dass du das gesagt hast, sage ich zu mir.
Er zieht die Champagnergläser aus seinen Ärmeln.
»Findest du diese Plastikdinger nicht schrecklich? Schauderhaft. Na dann, prost. Das wird lustig! Rempel mich an, falls ich schnarche.«
Wir stoßen an. Die Dame neben mir wirft mir einen perfekten vernichtenden Blick zu. Vermutlich macht sie sich Sorgen wegen der Wirkung des Champagners auf mein Ungeborenes. Marcus bietet mir Erdnüsse an. Ich lehne ab. In weniger als einer Minute hat er das Päckchen verputzt. Er isst mit raschen und geschickten Bewegungen, wie sie ihm auch sonst eigen sind. Sein Stoffwechsel dürfte kometenhaft sein.
Das Stück schleppt sich dahin und ergibt keinen Sinn. Binnen zwei Minuten ist Marcus eingeschlafen. Er schläft fünfzehn Minuten. Dann plötzlich schnarcht er, wovon er ruckartig wach wird. Er füllt unsere Gläser mit Champagner, schlingt zwei weitere Tüten Erdnüsse in sich hinein, wobei er mir mit ein paar Blicken zu verstehen gibt, wie schrecklich er das alles findet, und schläft dann weiter.
Ich beobachte ihn beim Dösen. Seine Augenlider flattern, und er zuckt immer wieder und verschüttet dabei ein wenig Champagner. Er ist sogar eine anregende Gesellschaft, wenn er schläft. Marcus ist der Typ Mann, den man an einem Montagabend auf einen Drink trifft und mit dem man am Dienstagmorgen in der Dordogne landet, weil man dort ein Glas leckeren Roten trinken wollte.
Die ersten Klatscher signalisieren die Pause und wecken Marcus. Er springt auf, hinterlässt zu seinen Füßen jede Menge Müll und führt mich aus dem Saal.
»Nicht schlecht, hab gut geschlafen in dem bequemen
Sessel. Wir kommen wieder.« Er nickt einer hübschen Platzanweiserin zu, während er mich bei der Hand nimmt und über die Treppe hinunter auf den Haymarket hinauszieht. Dann winkt er ein schwarzes Taxi herbei und zerrt mich hinein. Ich seufze und schaue heißblütig aus dem Fenster wie ein Model in einer Parfümwerbung. Ich liebe schwarze Taxis. Es gibt nichts Dekadenteres als zwölf Pfund dafür zu zahlen, dass man gerade mal zwei Meter weit fährt.
36
Ich sitze im Ivy. Auf meinem Schoß liegt eine Serviette, auf der THE IVY steht. Die wird nicht lang da liegen. Ich werde sie mir einstecken für Mum. Ich rief sie an, als ich auf dem Klo war, wo ich zwei Klorollen für meine Schwester und Julia gestohlen habe. Da steht zwar nicht THE IVY drauf, aber sie werden die Geste dennoch zu schätzen wissen. Am liebsten würde ich es allen, die mich kennen, ins Hirn blasen, dass ich im Ivy bin. Vielleicht gibt es ja sogar ein Foto, das ich als Beweis nutzen könnte, denn Marcus und ich wurden beim Eintreten von einem Paparazzo geknipst. Nur leider hatte ich einen Mantel über dem Kopf. Das ist ein Trick, den Marcus gern anwendet.
»Sollen wir noch einen nehmen?«, grinst Marcus mich an.
»Das wären dann vier.« Wir sprechen von Wodka Martinis.
»Hm«, sagt er. Er kippt seinen hinunter und schließt daraufhin erst das eine Auge und dann das andere.
»Dazu noch die Flasche Champagner im Theater«, sage ich. Ich schließe mich seiner Augengymnastik an. Langsam fällt es schwer, den Blick zu fokussieren.
»Hm.« Er denkt nach. Seine beiden Augen sind jetzt geschlossen. Ich schließe meine ebenfalls. Ein Karussell setzt sich in Gang, und mir wird ein wenig übel.
»Whisky!«, trällert Marcus plötzlich. Er öffnet seine
Augen weit und hebt triumphierend seine Hände, wie ein Dirigent bei einer guten Stelle.
»Hmm«, erwidere ich darauf, wie ein schwächer werdendes Blasinstrument.
»Wo bleibt Sebastian?«, fragt Marcus und dreht sich wild in seinem Sitz herum, um nach ihm Ausschau zu halten.
»Ich liebe Sebastian«, seufze ich. Sebastian ist unser Kellner. Er ist der beste Kellner, der mir je begegnet ist. Er tanzt um die Tische, als wäre er Franzose. Und er lächelt, als stünde er unter Drogen. Er weiß einfach
Weitere Kostenlose Bücher