Oh Happy Dates
dennoch in Hochstimmung. Ich habe nächste Woche eine Theaterverabredung mit einem jungen Fotografen! Wenn es so weiterläuft, werde ich ein Tagebuch benötigen. Oder ein kleines schwarzes Büchlein. Oder noch besser ein kleines rosa Büchlein mit den Wort »Männerfresserin« in Diamantenschrift auf dem Umschlag.
Der arme ungepflegte Phil bekommt meine Aufregung in voller Wucht mit durch eine Art Verbaldurchfall, der mich erfasst hat. Was jedoch nicht heißen soll, dass ich vor ihm mein Liebesleben ausbreite. Ich erzähle gar nicht viel von mir selbst. Ich stelle ihm nur Fragen. Das Buch verändert mein Leben. Ich hatte gar nicht gewusst, dass andere Menschen so interessant sein können.
»Und was geschah, als Ihr Vater aus dem Gefängnis kam?«, frage ich ihn und beuge mich dabei vor. Als ich in den Wagen gestiegen war, hatte ich ihn gefragt, wie lange er schon in Camden wohnt, und dann, wo er vorher gelebt hat. So ging es immer weiter, und jetzt kenne ich schon seine halbe Lebensgeschichte.
»Er kam eines Nachts zu meiner Oma, bei der ich wohnte, und brach ein. Wir sahen ihn nie wieder«, erzählt er mir. Er spricht kaum hörbar, es ist eher ein Knurren wie von einer Kettensäge, kurz bevor sie den Geist aufgibt.
»Oh weh«, erwidere ich. Ich habe auf die Lebensgeschichte von Phil, dem Beleuchter, oft mit »Oh weh« reagiert.
»Und Ihre Mum? Haben Sie die wiedergesehen?«, fahre ich fort.
»Sie lebt jetzt bei mir«, sagt er mit mahlendem Kiefer.
»Sie sind verheiratet?«, frage ich, und mir rutscht dabei ein Gähnen heraus. Nach dem frühen Aufstehen heute Morgen fühle ich mich jetzt schläfrig.
»Es sind nur ich und meine Mum.« Seine Augen sind stur auf die Straße gerichtet. Ich frage mich, ob seine Mutter ihn wohl damit nervt, dass er sein Auto sauber machen soll. Ich gähne wieder. Dieses Gähnen klingt wie ein startendes Flugzeug, baut sich laut auf und dröhnt in den Ohren.
»Wenn Sie müde sind, dann schlafen Sie doch«, sagt er und sieht mich im Rückspiegel an.
»Danke.« Ich lächele ihm zu.
Ich lehne meinen Kopf zurück und schließe meine Augen. Phil, der Beleuchter, dreht das Radio leise. Es ist schon wieder Keane. Eines der blöden Stücke ihres alten Albums. Das Album, das auch während des Speed-Datings lief, bei dem ich Paul kennenlernte. In all den Wochen, in denen ich an Paul als den einfühlsamsten, lustigsten, attraktivsten Mann dieses Planeten dachte, hörte ich auf, Keane und ihren geistlosen Klagegesang zu verachten. In diesen Wochen, in denen ich davon ausging, die Liebe von Paul und mir übersteige zwar das Verständnis anderer Menschen, werde aber ein Leben lang halten, ertappte ich mich dabei, dass ich fast Gefallen an der Eintönigkeit der Songs fand, die mir nur noch ein klein wenig langweilig vorkamen. Wenn ich an Paul dachte, summte ich jedes Mal was von Keane. Ich hätte es schon damals besser wissen müssen.
»Ich hasse Keane«, brumme ich. Meine Augen sind geschlossen. Ich stehe kurz davor einzuschlafen.
»Oh ha ha!«, kichert der ungepflegte Beleuchter beinahe lebhaft. »Keane sollte man sich nur anhören, wenn man in den frühen Morgenstunden vom Haus seines betrügerischen Freundes wegfährt.«
»Hmm. Gut ausgedrückt«, seufze ich schläfrig. Dann wird mir klar, dass es tatsächlich »gut ausgedrückt« ist. Sehr »gut ausgedrückt«. Weil ich das so ausgedrückt habe! Ich reiße die Augen auf. Ich sehe mir Phil an. Offensichtlich liest er meinen Blog. Wenn ich mir meine Blogleser vorstelle, sehen sie allerdings nicht so aus wie dieser ungepflegte Oberbeleuchter. Ich stelle sie mir als normal aussehend, vielleicht sogar hübsch vor. Er gehört offenbar zu den Leuten, die über den Suchbegriff »Intimschweiß« auf meinen Blog gestoßen sind.
»Wo haben Sie diesen Satz über Keane gehört, Phil?«, frage ich ihn, bemüht cool. Es ist eine unangenehme Frage. Ich habe noch nie jemanden darum gebeten, in einem Gespräch eine bibliografische Anmerkung oder Fußnote zu machen.
Er schielt in den Rückspiegel.
Ich setze ergänzend hinzu: »Ich schreibe einen Blog im Internet. Und dort stehen exakt die Worte, die Sie gerade über Keane gesagt haben. Mehr nicht.«
Phil ignoriert mich. Er konzentriert sich auf die Straße, während er langsamer fährt, weil er sich meinem Haus nähert. Er parkt und schaltet den Motor aus.
»Besten Dank fürs Mitnehmen, Phil. Tschüss.«
»Sarah«, sagt er ernst.
»Mmm.«
»Mir gefällt Ihr Blog.« Sein Gesicht leuchtet auf wie
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