Oh Happy Dates
mich.
»Du bist einfach nur nervend«, sagt er und macht die Tür vor meiner Nase zu.
»Nur noch eine Sache, Si«, zirpe ich und klopfe erneut an seine Tür.
»Aber nicht, wenn es um Julia oder Ruth geht«, ruft er durch die geschlossene Tür.
»Nein. Es geht um Bertrand«, sage ich leise. Dann fällt mir ein, dass ich Flora versprochen habe, mit keinem darüber zu sprechen. Aber ich muss ständig daran denken. Und meine Mum pflegt immer zu sagen, ein geteiltes Problem ist nur noch ein halbes Problem.
»Was ist denn mit ihm?«
»Hat er jemals mit dir über mich geredet?«
»Wie, Bertrand?«
»Ja, Bertrand. Überleg doch, Si.«
»Sare, ich bin gerade erst aufgewacht.«
»Hat er jemals mit dir über mich gesprochen?«
»Schon möglich.«
»Also, was hat er gesagt?«
»Weiß ich nicht.«
»Simon.«
»Was?«
»Das ist wichtig!«
»Du willst, dass ich mich daran erinnere, was Bertrand im Lauf der acht Jahre, die ich ihn kenne, über dich gesagt hat?«
»Ja.«
»Soll das ein schlimmer Traum sein?«, fragt er und reibt sich die Augen.
»Bitte, Si. Denk doch darüber nach, was er über mich gesagt hat.«
»Ich glaube, er hat mal gesagt, du hättest einen hübschen Hintern.«
Plötzlich werden meine Augen ganz groß. »Was noch?«, hake ich nach.
»Was ist denn heute bloß los mit dir, Sare?«
»Pass auf, Si, Flora hat auf Bertrands Computer diesen Liebesbrief gefunden, in dem steht, wie sehr er ein Mädchen namens Sarah liebt.«
»Was?«, staunt Simon.
Ich verfolge Simons Reaktionen genau. Als ich vor vielen Jahren die durchtriebene Goneril in König Lear spielte, wurde ich zu einer Expertin für Verhaltensweisen von Verrätern. Wenn er etwas weiß und es zu verbergen versucht, dann:
1. Könnte er zucken oder an der Innenseite seines Munds kauen.
2. Könnte er erstarren und Blickkontakt vermeiden.
Simon macht weder das eine noch das andere. Aber er tritt einen Schritt zurück, was, wie ich denke, darauf hindeutet, dass er überrascht ist.
»Ein richtiger Liebesbrief, komplett mit ›Ich weiß, dass ich mit einer anderen zusammen bin blablabla, aber falls du mich willst, bin ich der Deine.‹«
Simon fährt zusammen. Was das zu bedeuten hat, weiß ich nicht.
»Hat er also noch was anderes über mich gesagt?«
»Äh, nein. Hör zu, mach dir deswegen keine Gedanken. Ich werde Bertrand später anrufen und mal auf den Busch klopfen. Es wird vermutlich was mit der Arbeit zu tun haben.«
Er hat eindeutig »äh« gesagt, was bedeuten könnte, dass er sich nicht wohlfühlt in seiner Haut.
»Es sah aber nicht aus wie Grafikdesign, Si. Es war ein Word-Dokument.«
»Beruhige dich, Sare. Ich werde ein bisschen mit ihm plaudern. Bitte lass mich noch eine halbe Stunde im Bett liegen, und schwirr ab zu deinem Blog.«
Ich gehe wieder in mein Zimmer. Aber ich weiß, dass Simon sich wegen Bertrands und Nikkis bevorstehender Hochzeit Sorgen macht, denn:
1. Er hat sich nicht wieder ins Bett gelegt. Ich höre ihn in seinem Zimmer herumtapsen.
2. Er hat mich gerade ermuntert zu bloggen.
43
»Er ist so dick«, sage ich traurig beim Blick über meine rechte Schulter in den Spiegel hinter mir.
»Nun beruhige dich doch, Sare, du siehst großartig aus«, besänftigt mich Simon.
»Wir könnten aber doch auch Mexikaner sein! Du kannst doch nicht Krankenschwestern und einen Mexikaner nehmen, um ein Produkt zu verkaufen. Wo bleibt denn da das Branding? Du darfst doch die Marke nicht aus dem Auge verlieren, Si! Kann ich nicht einen hübschen bodenlangen Poncho bekommen? Bitte, Si, bitte.« Ich heule fast. Ich möchte nächste Woche nicht in diesem Aufzug in die Leder-Lounge gehen müssen. PVC ist abartig. Ich sehe aus wie ein riesiges Kondom. Und ich rieche wie ein antiseptisches Wischtuch.
Es klingelt.
»Das wird Julia sein«, sage ich. Ich muss Julia auf meine Seite kriegen. Wir müssen unsere Bedingungen festlegen. Vereint auftreten. Ponchos, kein PVC. Ich öffne die Tür.
»Ach, du lieber Himmel«, sagt der Mann aus Apartment drei errötend. »Hallo, Sarah.«
»Ah!«
»Also, wir haben die Arbeiten an der undichten Stelle jetzt abgeschlossen, und ich wollte nur mal nach Ihrem Fleck schauen«, sagt er und fängt sich wieder. »Kann ich reinkommen?«
Der Mann aus Apartment drei und ich stehen einander gegenüber. Wenn ich mich ganz normal umdrehe, wird er meinen Hintern sehen, der einem kleinen, überdehnten Stück Plastik zu entkommen versucht. Ich beginne, langsam rückwärtszugehen. Jedes Mal, wenn ich
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