Oh Happy Dates
einen Schritt mache, folgt er mir.
»Halt!«, ruft der Mann aus Apartment drei. »Bleiben Sie stehen, Sarah. Gleich stoßen Sie sich an der Lampe. Ich gehe nur kurz ins Wohnzimmer. Ich finde schon selbst wieder hinaus.«
»Danke«, sage ich. Ich mag ihn. Er ist immer höflich, obwohl er mich vermutlich für eine billige Prostituierte hält, die nur wenige Meter über seinem Kopf ihrem Gewerbe nachgeht. Es klingelt wieder. Julia. Ich eile zur Tür, um ihr zu öffnen.
»Julia«, sage ich, erleichtert, dass es nicht der Nachbar aus Apartment eins ist, der sich um den Putz Sorgen macht.
»Klasse Kostüm«, schwärmt sie und geht an mir vorbei in mein Zimmer.
»Willst du mich verarschen?«, frage ich und folge ihr.
Julia hat ihr Kostüm in Windeseile angezogen. So klamottenbegeistert habe ich sie nicht mehr erlebt, seit sie zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag eine Hure-und-Zuhälter-Kostümparty veranstaltet hat. Sie kichert und flirtet mit Simon. Ich nehme mir meinen Laptop vor, um zu überprüfen, ob ich irgendwelche neuen Kommentare bekommen habe. Simon ertappt mich dabei.
»Sarah! Was machst du da?«
»Ich sehe nur mal in meinem Blog nach.«
»Herrgott noch mal, Sare. Hallo! Wir sind echte Menschen, und wir sind hier im Zimmer. Warum gibst du dich nicht mit uns ab, anstatt wieder online zu gehen?«
»Beruhige dich, du alter Meckerbär. Ich will doch nur mal kurz nachsehen, ob ich neue Kommentare bekommen habe.« Ich habe einen neuen Kommentar. Wieder ein poetisches Flehen vom Perfekten P.
> Sarah, Sarah, was wird nur aus ihr werden? Es gibt so viele Männer, die verzweifelt um sie werben.
> Da ist der Alte, der ihr charmant den Kopf verdreht. Doch er will nicht, dass sie auf der Bühne steht.
> Ihr Nr. 1 Fan aus dem Internet ist womöglich gaga und überhaupt nicht nett.
> Da ist der Fotograf, enorm gut sieht er aus, hat jedoch lieber einen Er statt einer Sie im Haus.
> Und dann bin da noch ich, P der Poet, so heillos verliebt, dass es nicht doller geht.
> P der Poet
Wenn ich eines dieser schrecklichen Gedichte lese, wird mir immer flauer zumute. Heute denke ich: »Er kann unmöglich eine Freundin haben, wenn er eine derart lange Liebeselegie in den Blog einer anderen Frau stellen kann.« Doch mein logischer Verstand weiß, dass seine Freundin beim Kaffeetrinken oder im Yogakurs sein könnte. Sie muss beim Yoga sein. Sie ist sicherlich überaus gelenkig. Mein Gott, wie ich sie hasse. Tut mir leid, Gott.
Die halb nackte Krankenschwester und der verrückte Mexikaner lenken mich ab. Sie lachen beide. Julia hat
Simon gerade mit Lümmelada vollgespritzt. Simon sagt: »Immer mit der Ruhe, Tiger.«
Ich möchte nicht, dass sie zusammenkommen. Das wäre nicht gut. Gar nicht gut. Es wäre, als würde Julia meinen Dad küssen.
44
Ich bin die Einzige in der ganzen Leder-Lounge mit Cellulitis. Dafür kann es nur zwei Gründe geben:
1. Leute mit Cellulitis gehen nicht in Fetischklubs. Und zwar, weil die Fetischbeleuchtung violett ist. Violettes Licht lässt Beine mit Cellulitis wie Bohnen in Strumpfhosen aussehen.
2. Durch Schläge auf den Hintern wird man die Cellulitis los. Die Menschen in diesem Etablissement haben zwei Gemeinsamkeiten: Sie haben keine Cellulitis, und sie genießen es, den Hintern versohlt zu bekommen. Jetzt zählen Sie mal zwei und zwei zusammen.
Julia sieht so gut aus, dass jemand sie zu einem Foto mit einer Penispumpe und ein paar Fesseln der härteren Art einlädt. Vermutlich wird sie zum Gesicht der Leder-Lounge avancieren. Außerdem scheint sie ihre kreativen Talente bisher unter den Scheffel gestellt zu haben. Sie ist eine Meisterin des Rollenspiels und der Improvisation und ein echtes Schauspieltalent. Ich überlege, ob sie für ihre Promotion nicht eine Förderung vom Nationalen Kunstverband kriegen könnte. Ihre Vorführung ist nämlich sehr einfallsreich.
Sie schmiegt eine Lümmelada zwischen ihre Brüste. Nicht so sehr »schmiegen«, sondern eher »gewaltsam
klemmen« – dazwischen ist nämlich nicht viel Platz. Einmal an Ort und Stelle, guckt das unglaublich realistische obere Flaschenende aus ihrem Ausschnitt wie ein verlorenes Frettchen. Sie nähert sich entschlossen und stolz einem männlichen oder weiblichen Gast. Sie legt ihre Hand auf ihre oder seine Stirn und sagt: »Oooh, du fühlst dich aber heiß an.« Für dieses Rollenspiel spricht Julia, als würde sie in einem Pornokanal die spätabendlichen Shows ansagen. »Ich habe da eine Medizin, mit
Weitere Kostenlose Bücher