Oh, Mandy
verändert. Sein gut aussehendes Gesicht war wie ein Spiegelbild ihres Sohnes als junger Mann. All die Erinnerungen und die widersprüchlichen Gefühle, die er in ihr hinterlassen hatte, kamen an die Oberfläche und wühlten sie auf.
„Ich entschuldige mich für das Verhalten meines Sohnes und versichere dir, dass das nicht noch einmal vorkommt.”
„Er ist mein Sohn, oder?”
Die eiskalten Worte sandten einen Schauer über Mandys Rücken. Obwohl sie diese Konfrontation befürchtet hatte, auch wenn sie alles getan hatte, um ihr aus dem Weg zu gehen, war sie nicht auf den Hass vorbereitet, den sie in Jesses Augen erblickte. In diesem Moment ahnte sie, dass sie Jaime verlieren könnte. Aber Jesse zu belügen würde auch nichts nützen.
„Jaime ist ein McCloud”, erklärte sie fest. „Ich habe ihn auf die Welt gebracht und ohne die Hilfe von dir oder sonst jemandem groß gezogen.”
Das beantwortete immerhin eine der Fragen, die Jesse auf dem Ritt zur Double-Cross-Heart-Ranch geplagt hatten. Mandy hatte nie geheiratet.
„Was nicht meine Schuld ist”, entgegnete Jesse. Er schwang sich aus dem Sattel und baute sich wütend vor Mandy auf. „Warum hast du mir nie gesagt, dass ich einen Sohn habe?”
„Es dir sagen?” wiederholte Mandy ungläubig und trat einen Schritt zurück. „Du warst nicht hier, wie du dich vielleicht erinnerst. Du bist verschwunden, ohne jemandem mitzuteilen, wohin du gehen würdest.”
Zu wissen, dass sie Recht hatte, machte Jesse noch wütender. „Jetzt bin ich aber hier”, stellte er klar. „Und ich habe die Absicht, den Jungen als meinen Sohn anzuerkennen.”
Als er sich in Richtung Scheune wandte, griff Mandy nach seinem Arm. „Jesse, warte!”
Er fuhr herum und starrte böse auf ihre Finger.
Mandy ließ hastig die Hand sinken. „Bitte”, flehte sie ihn an. „Tu es nicht.”
„Warum?” entgegnete Jesse scharf. „Schämst du dich dafür, dass der Vater deines Sohnes halb Mexikaner ist?”
Mandy stiegen Tränen in die Augen. „Nein, das ist es nicht. Er ist nur noch zu jung und würde es nicht verstehen.”
„Was würde er nicht verstehen? Dass ich sein Vater bin oder dass seine Mutter es jahrelang vor ihm geheim gehalten hat?” Jesse kam bedrohlich nah. „Was davon ist es, Mandy? Oder hat der Junge nie nach seinem Vater gefragt?”
Mandy schloss die Augen und presste ihre zitternden Finger gegen die Schläfen. „Natürlich hat er Fragen gestellt”, murmelte sie. „Ich habe ihm von seinem mexikanischen Erbe erzählt, aber behauptet, dass sein Vater gestorben sei, bevor er auf die Welt kam.”
„Ich wäre jetzt auch tot, wenn Lucas besser gezielt hätte.”
Mandy erblasste, als sie an jene schreckliche Nacht dachte.
„Aber ich bin nicht gestorben, Mandy. Und jetzt bin ich wieder hier, und ich werde meinen Sohn anerkennen, ob es dir gefällt oder nicht.” Jesse ging zu seinem Pferd und schwang sich in den Sattel. „Ich gebe dir vierundzwanzig Stunden Zeit. Du kannst dir den Ort aussuchen, aber wir werden es dem Jungen sagen. Wenn du dich entschieden hast, kannst du mich in der Unterkunft der Arbeiter auf der Circle-Bar-Ranch erreichen.”
Nach diesem Ultimatum wendete Jesse sein Pferd und galoppierte davon.
„Wusstest du, dass er mein Sohn ist?”
Pete hängte das Zaumzeug über einen Haken und schaute Jesse seufzend an. „Ich hab es mir gedacht, war mir aber nie ganz sicher. Die McClouds sind ziemlich verschwiegen, wenn es um ihre persönlichen Angelegenheiten geht.”
„Also weiß niemand davon?”
Pete zuckte mit den Schultern, bevor er seinen Sattel vom Rücken des Pferdes hievte.
„Kurz nachdem du abgehauen bist, hat Lucas dafür gesorgt, dass Mandy zu einem seiner Cousins an die Ostküste verschwand. Sie war über ein Jahr lang weg, und als sie zurückkam, hatte sie ein Baby dabei. Es hieß, sie habe während ihrer Abwesenheit eine Affäre gehabt, doch der Typ sei gestorben, ehe er dem Kind seinen Namen geben konnte.”
„Und die Leute haben die Geschichte geglaubt?”
„Warum nicht? Niemand außer mir hat gewusst, dass ihr zwei euch hinter Lucas’ Rücken getroffen habt.”
Bei der Erwähnung von Lucas runzelte Jesse die Stirn. „Ich habe ihn nicht gesehen, als ich drüben war, obwohl ich die ganze Zeit gefürchtet habe, gleich einen Gewehrlauf im Rücken zu spüren.”
Pete schaute überrascht auf. „Redest du von Lucas?”
„Ja”, brummte Jesse.
„Ist ein bisschen schwierig vom Grab aus.”
Jesse fuhr herum und
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