Ohne Beweis (German Edition)
und den Hügel hinaufzuschieben. Doch kurz vor dem kleinen Zaun, der meinen kleinen Garten umgab, brach sie endgültig zusammen. Doch nun war es mir egal – hier waren wir erst einmal vor neugierigen Blicken sicher. Ich schloss das kleine Gartenhäuschen auf (zum Glück hatte ich den Schlüssel immer bei mir an meinem Schlüsselbund), holte eine Wolldecke und warf sie über die tief schlafende Eva. Meinen Rucksack schob ich ihr als Kopfkissen unter und setzte mich neben sie. Arme Carmen – wenn du wüsstest …
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Nora war so aufgebracht gewesen, dass sie nicht mal imstande war, mit ihren Eltern zu sprechen. Sie war nur unbemerkt hinauf in ihr Zimmer gestürmt, hatte wahllos ein paar Sachen zusammengepackt und war Hals über Kopf mit ihrem Käfer-Cabrio davongebraust. Erst als sie nach zwei Stunden Fahrt gerade noch gemerkt hatte, dass ihr Tank bald leer war, kam sie etwas zu sich. Nun saß sie bei einer Tasse Kaffee in irgendeiner Raststätte auf der A9. Sie wusste nicht mal, wo sie genau war. Nur dass sie in Richtung Osten fahren wollte, war ihr von Anfang an klar gewesen, als sie so überstürzt aufgebrochen war. Nicht einmal eine Nachricht hatte sie ihrer Familie hinterlassen, doch das würde sie nun sofort nachholen. Sie kramte ihr iPhone heraus und tippte eine SMS an ihren Bruder:
Hallo Felix, ich hatte Zoff mit Joska und bin für ein paar Tage weg. Urlaub hab ich ja noch übrig, meine Aufträge von der Messe sind soweit fertig, den Rest kannst du machen. Ich werde voraussichtlich drei Tage weg sein. Grüß Mama und Papa und macht euch keine Sorgen. Ich brauch nur ein bisschen Zeit für mich.
Hdl, Nora
So, das war nun auch erledigt, sie hatte immerhin nicht gelogen. Nur nicht verraten, wo sie hinwollte, denn das wusste sie ja selbst nicht genau … oder doch … eigentlich wusste sie es schon, zumindest so ungefähr. Sie wollte Carmen suchen und dazu musste sie Kamil in Danzig ausfindig machen. Da ihr letzter Wissensstand der war, dass Carmen ein paar Tage bei Kamil bleiben wollte, musste sie also dort bei ihm mit ihrer Suche anfangen. Eigentlich konnte sie schon hier und jetzt damit beginnen, wozu hatte man denn ein Smartphone mit Internet-Flatrate?
Mit neuem Mut und verdrängten Gedanken an Joska machte sie sich per Teleauskunft auf die Suche nach Kamil. Doch das war schwieriger als gedacht, denn anscheinend hatte der Typ keinen Festnetzanschluss – also vielleicht doch ein Handy? Aber wie sollte sie an diese Nummer herankommen? Schöner Mist! Also gut, dann musste sie es eben anders versuchen. Vor Ort würde sie sich irgendwie durchfragen müssen. Doch das musste bis morgen warten, denn jetzt so spät in der Nacht war sie doch hundemüde und so versuchte sie, noch ein Zimmer in diesem Motel hier zu bekommen. Doch leider war schon alles ausgebucht und sie musste notgedrungen in ihrem kleinen Käfer schlafen. Zum Glück hatte sie bei ihrer unkontrollierten Flucht daran gedacht, einen Schlafsack mitzunehmen. Der kam ihr jetzt bei der nächtlichen Kühle sehr zugute und sie konnte einigermaßen ruhig schlafen. Nur wirre und aufwühlende Träume ließen sie manchmal hochschrecken und erinnerten sie daran, warum sie nun hier in ihrem Auto nächtigen musste und nicht an ihren Freund gekuschelt zu Hause in ihrem gemütlichen Bett lag.
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Joska hatte es unterdessen gerade noch geschafft, seine Chefin vor ihrer Wohnungstüre abzulegen, bevor diese in sich zusammengesackt und liegen geblieben war. Was war das alles nur für ein Albtraum? Warum hatte sich Nora die Situation nicht erklären lassen und war einfach abgehauen? Das konnte sie doch nicht machen! Ihn einfach so mit seiner betrunkenen Chefin sitzen lassen! Er wäre ihr ja nachgerannt, doch dann wäre die gute Frau Müller-Harnisch vom Hocker gekippt und das konnte und durfte er doch nicht zulassen – immerhin war sie seine Vorgesetzte, wenn sie sich auch heute Abend nicht wie eine solche benommen hatte.
Da sieht man mal wieder, was Liebeskummer und zu viel Alkohol anrichten können, dachte Joska betrübt und hätte am liebsten nun selbst zur Flasche gegriffen. Doch das durfte er sich nicht erlauben, er musste ja noch nach Hause fahren. Ob er bei Nora anrufen sollte? Ob sie wohl schon im Bett war? Oder hielt sie das gerade Gesehene vom Schlafen ab? Ihm würde es jedenfalls so gehen und so nahm sich der junge Kommissar vor, zuerst seine Chefin ins Bett zu stecken und dann bei Nora anzurufen. Ersteres gestaltete
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