Ohne Beweis (German Edition)
gerissen und damit notdürftig sauber gemacht. Ich hatte die drei kleinen Fenster und die Türe aufgerissen und die frische Brise fegte den ganzen Staub aus der Hütte. Den muffeligen Schlafsack und das staubige Kopfkissen hatte ich draußen ausgeschüttelt und ausgeklopft, das wenige Geschirr hatte ich in die kleine Regentonne zum Einweichen geschmissen und den Boden mit ein paar zusammengebunden Zweigen notdürftig gekehrt. Inzwischen war die kleine Sommerresidenz wieder als solche zu erkennen und ich konnte meine Frau guten Gewissens hereinbitten.
Doch meine Eva schlief immer noch tief und fest. Vorsichtig strich ich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht – wie schön sie war, wenn sie schlief. Dann fehlten die Falten auf ihrer Stirn und zwischen den Augen und ließen sie noch jünger erscheinen. Ich konnte sowieso kaum glauben, dass sie schon um die fünfzig sein sollte. Dieser tiefe Schlaf würde ihr sicher sehr gut tun und so rappelte ich mich wieder hoch und stapfte zurück zur Hütte. Ob wohl noch ein kühles Bier in dem kleinen Vorratskellerchen war, den ich unter der Hütte gegraben und mit einer Luke verschlossen hatte?
Doch gerade, als ich den Deckel anheben wollte, hörte ich entfernte Stimmen. Mist! Würden die hier rauf kommen? Ich wollte nicht, dass jemand Eva in ihrem desolaten Zustand sah! Hastig ließ ich den Deckel wieder zuknallen und dieses Geräusch oder die sich nähernden Stimmen mussten Eva wohl geweckt haben. Denn als ich bei ihr ankam, hatte sie sich bereits aufgesetzt und schaute mich mit entsetzt aufgerissenen Augen an. Hatte sie schon wieder vergessen, wer ich war? Doch zu meiner großen Erleichterung seufzte sie nur:
„Bringst du mich jetzt nach Hause, Karsten?“
„Ja natürlich, meine Liebling. Komm, ich helfen dir“, gurrte ich unglaublich froh darüber, dass sie noch wusste, wer ich war. Dass ich sie ungeduldig zur Hütte zerrte, schien sie gar nicht zu bemerken. Sie humpelte nur tapfer und mit zusammengebissenen Zähnen neben mir her, gerade so, als hätte auch sie es eilig, ins schützende Haus zu kommen. Aber welchen Grund hatte sie? Wollte auch sie in ihrem Zustand niemand Fremdem begegnen?
„So, da sein wir, liebste Eva. Willkommen zu Hause in unsere Sommerhäuschen!“, rief ich ein bisschen zu enthusiastisch, aber ich war so froh, dass wir es geschafft hatten, überhaupt hierher zu gelangen. Dass dies auch noch ohne die Blicke irgendwelcher Leute von statten gegangen war … umso besser.
„Ich habe Durst“, murmelte Eva immer noch leicht schläfrig und ich bugsierte sie auf die Liege, die mir bisher immer als Schlafplatz gedient hatte. Außer dieser Liege gab es hier nur noch zwei alte Holzstühle und einen kleinen Tisch, sowie eine Kommode und ein Regal. Auf der Kommode standen eine Waschschüssel und daneben ein Campingkocher. Im Regal stapelten sich Becher, Gläser und Geschirr, sowie ein paar Töpfe und eine gusseiserne Pfanne. Nur von irgendwelchem Proviant fehlte leider jede Spur und meine letzte Hoffnung war jetzt nur noch dieser kleine Vorratskeller unter uns.
Nachdem ich mir sicher war, dass Eva ruhig in ihrem Bett lag, öffnete ich die Luke wieder und spähte ins Dunkel. Was ich dort sah, ließ meine Hoffnungen sofort schwinden, nicht baldmöglichst einkaufen gehen zu müssen: eine einzige Dose Bier lag dort neben einer toten Ratte! Die durfte Eva auf keinen Fall zu Gesicht bekommen, denn ich war mir sicher, dass sie dann sicher nicht hier bleiben wollte. So schnappte ich mir nur schnell die Dose und verschloss die Luke wieder.
„Magst du Bier?“, fragte ich Eva hoffnungsvoll, denn etwas anderes hatte ich nicht.
„Ich weiß nicht“, murmelte Eva nur und das bestätigte mir wieder, wie stark ihre Kopfverletzung doch sein musste. Mit einem Zischen öffnete ich die Dose und probierte vorsichtig einen Schluck. Wie alt das Bier war, wusste ich nicht, denn durch das lange Liegen im feuchten Morast des Kellers war die Dose ziemlich angerostet und ich konnte nirgends ein Haltbarkeitsdatum erkennen.
„Hier, probier … schmeckt gut“, ermunterte ich meine Frau und da sie wirklich sehr großen Durst hatte, schüttete sie die angenehm kühle Flüssigkeit einfach in sich hinein.
„Nicht so hastig, Eva! Lassen dir Zeit, nicht dass du gleich einen Schwips bekommen!“ Ich nahm ihr die Dose schnell wieder ab, denn wir mussten uns dieses Bisschen einteilen, bis ich Nachschub holen konnte. Ich wollte ihr jedoch nicht sagen,
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