Ohne Beweis (German Edition)
sagte sie nur schwach und schloss müde die Augen. Sie würde mir jetzt hier doch nicht einschlafen und vom Stein kippen?
„Komm, du setzen dich besser hier unten hin und lehnen gegen Stein. Hier – die Decke, sonst zu kalt auf Boden“, sagte ich fürsorglich und bettete die schwache Eva so gut es ging an den Stein.
„Ich kommen bald wieder, Eva. Nicht weglaufen!“, rief ich ihr noch über die Schulter zu, doch wahrscheinlich war sie bereits wieder eingeschlafen. Hoffentlich kam hier niemand vorbei und würde sich um sie kümmern wollen.
So schnell ich konnte hastete ich den gleichen Weg wieder zurück zu meinem Moped. Leider musste ich dann um den riesigen Wald außen herum fahren, denn ich wollte es nicht riskieren, beim Fahren auf verbotenen Waldwegen erwischt zu werden. So dauerte es dann auch fast eine Stunde, bis ich wieder bei Eva angekommen war. Ich sah schon von weitem, dass eine Gruppe Jugendlicher gerade in Evas Richtung lief. Ob sie sich überhaupt für die in ihren Augen alte Frau interessieren würden? Was sollte ich tun? Sollte ich abwarten und hoffen, dass sie sie nur neugierig anschauen und dann aber weitergehen würden? Was sollte ich tun, wenn sie sie doch ansprechen oder gar anfassen würden? Sie waren zu viert und sie hatten Bierflaschen in der Hand – Scheiße! Mit so vielen konnte ich es nicht aufnehmen – also doch abwarten und hoffen – mehr konnte ich nicht tun und das machte mich beinahe wahnsinnig.
33
„Nu komm scho, Joschkale!“, säuselte Frau Müller-Harnisch und klopfte auffordernd auf den Barhocker neben sich. „Setz di doch no a bissle zu mir … i bin doch so allein“.
Joska konnte es nicht fassen. Seine Chefin war betrunken und seine beiden Kollegen hatten sich geflissentlich aus dem Staub gemacht, als sie merkten, dass ihre Vorgesetzte einen im Tee hatte. Na toll. Jetzt war er allein mit ihr und sie wollte, dass er noch näher an sie ranrückte. Was sollte er nur tun? Er wollte sie ja nicht kränken und ganz alleine in diesem Pub wollte er sie auch nicht sitzen lassen. Doch er kam gar nicht zum weiter darüber nachdenken, denn Frau Müller-Harnisch lehnte sich plötzlich an ihn und fing an zu heulen! Das durfte jetzt nicht wahr sein, oder? Was war denn mit der los? Joska machte sich ganz steif vor Unbehagen und auch deshalb, damit er nicht vom Hocker fiel. So ein zusammengesackter Körper konnte ganz schön schwer sein.
„I bin so allein …“, jammerte seine Chefin nun in sein T-Shirt und ihre Tränen durchnässten es augenblicklich. Was sollte er nur tun? Ihr tröstend übers Haar streichen? Das konnte er doch nicht machen! So blieb er nur hilflos sitzen, passte auf, dass sie nicht von ihrem Barhocker rutschte und lauschte weiter ihrem Gejammer.
„Der Mistkerl hat mi einfach sitzen lassen! Abgehauen is er mit ner Älteren aus seim Yogakurs. Des muss ma sich mal vorstellen. A ältere Yogatante! I fass es net.“
Joska musste gegen seinen Willen grinsen, denn es war sehr seltsam, seine Chefin so mit ihrem alten Dialekt aus Augsburg reden zu hören und das was sie da von sich gab, war ja auch zu komisch. Aber wie konnte er sie nur trösten? Er kannte seine Chefin doch gar nicht näher, vor allem ihr bisheriges Liebesleben war seither nie ein Thema zwischen ihnen gewesen. Er hatte ja nicht mal gewusst, dass sie einen Freund gehabt hatte. Über ihr Privatleben hatte man in Kollegenkreisen nie ein Wort verloren. Entweder, weil niemand etwas Näheres wusste, oder weil man über das Liebesleben seiner Chefin nicht sprach. Und jetzt schüttete sie ausgerechnet ihrem jüngsten Kollegen ihr Herz aus und heulte wie ein junges Mädchen über ihre verlorene Liebe. Joska fühlte sich überhaupt nicht wohl in seiner Haut, aber wegstoßen wollte er seine arme Chefin ja auch nicht. Also harrte er aus und strich ihr nur unbeholfen über den Rücken …
… und genau dieses Bild bot sich Nora, als sie den Pub betrat. Völlig perplex starrte sie ihren Freund an, doch bevor der überhaupt reagieren konnte, hatte sie schon auf dem Absatz kehrt gemacht und war wieder zur Türe hinausgestürmt. Das laute „Nora! Es ist nicht so, wie du denkst!“, das Joska der erschrockenen Kommissarin ins Ohr gebrüllt hatte, hatte die wütende Nora schon nicht mehr gehört. Das war vielleicht ihr Glück, denn diese abgedroschene Floskel hätte sie nur noch rasender gemacht. Ihr angeblich so treuer Freund und seine uralte Chefin! War das denn zu glauben?
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