Ohne Beweis (German Edition)
die vielen abgebrochenen Streichhölzer und wusste nun, mit was hier geschrieben worden war. Das hatte sicher einige Zeit in Anspruch genommen – wie lange sie wohl geschlafen hatte? Ob es draußen wirklich schon dunkel war? Mühevoll stemmte sie sich nochmals hoch und hüpfte zur Wand gegenüber. Dort erahnte sie einen kleinen Spalt in den Holzbrettern. Obwohl ihr Knöchel und auch ihr Kopf bei jedem Hüpfer schmerzten, biss sie doch die Zähne zusammen. Sie wurde für ihren Einsatz dann auch belohnt, denn durch den Spalt konnte sie erkennen, dass es zwar noch hell war, jedoch in die Abenddämmerung überging. Wenn sie nicht bald etwas zu trinken bekommen würde, konnte sie nicht mehr lange durchhalten. Ihr war jetzt schon so komisch zumute und sie wusste nicht, wie lange man sie hier noch warten ließ.
„Bitte komm zurück – wer immer du auch bist“, jammerte Carmen aufheulend und ließ sich auf den rauen Bretterboden sinken.
41
„Kannst du mir einen Gefallen tun, Paul?“, fragte Joska leise und betrat, sich nach allen Seiten umschauend, das Dienstzimmer eines jungen Kollegen, der noch nicht lange hier in der Göppinger Polizeistation arbeitete. Bereits in der kurzen Zeit hatte sich herumgesprochen, dass der Neue sehr verschwiegen und äußerst zuverlässig war. Paul Kollmann hatte einen dichten, blonden Lockenkopf. Seine Haare hingen ihm ständig in die Augen und jeder, der mit ihm zu tun bekam, hätte ihm nur zu gerne die Locken aus dem Gesicht gestrichen. So konnte man doch nicht am Computer arbeiten! Der schlaksige Paul und Joska hatten sich sofort gut verstanden, obwohl sie dienstlich, wie auch privat, bisher wenig miteinander zu tun hatten. Joska hatte jedoch schnell erkannt, dass Herr Kollmann ein helles Köpfchen und ein echter Computerspezialist war. Genau so jemanden konnte er heute für sein Vorhaben gut gebrauchen und Paul war eben auch äußerst verschwiegen, vor allem, wenn es darum ging, außerhalb des üblichen Dienstweges zu agieren.
„Worum geht`s denn?“, fragte Paul, ohne die wasserblauen Augen von seinem Bildschirm zu lösen. Joska sah nur unübersichtliche Zahlen- und Buchstaben über den Bildschirm flimmern und er fragte sich zum wiederholten Male, wie man sich mit so etwas nur auskennen konnte.
„Ich sollte jemanden übers Handy orten“, sagte Joska leise und setzte flüsternd noch hinzu: „Ist aber nichts Dienstliches.“
„So, so. Ist dir deine Freundin abhandengekommen?“, grinste Paul und wechselte auf einen anderen Bildschirm. Ohne jedoch eine Antwort abzuwarten, fragte er nur: „Nummer?“
Joska lächelte seinen Kollegen dankbar an und gab ihm Noras Nummer. Aufgeregt verfolgte der junge Kommissar dann das Menü auf dem Bildschirm und es dauerte auch nicht lange, da blinkte ein Punkt auf einer Karte auf und er bewegte sich ganz langsam voran.
„Derjenige ist unterwegs auf der A9 in Richtung Norden. Einholen wirst du diesen niedlichen Punkt hier aber nicht mehr“, stellte Paul sachlich fest, doch Joska hatte nun ein anderes Problem.
„Okay, jetzt weiß ich zwar, wo der Punkt momentan gerade ist, aber wie kann ich ihn weiter verfolgen?“
„Indem ich dir jedes Mal, wenn der Punkt “, betonte nun auch er und grinste Joska dabei wissend an, „also, wenn der Punkt die Autobahn verlässt oder irgendwo abbiegt, eine SMS mit den neuen Daten schicke. Wäre das für Sie in Ordnung, Herr Kommissar?“
„Ja … schon … aber kriegst du da nicht Ärger? Es wird doch alles aufgezeichnet und gespeichert, was wir hier tun, oder nicht?“, fragte Joska bange, denn er wollte seinen Kollegen nicht in Schwierigkeiten bringen. Doch der winkte nur ab.
„Ich schick dir die SMS von meinem eigenen Handy, ist doch klar. Die Handyortungen werden zwar auch gespeichert, aber die können ja nicht alles kontrollieren. Sollte doch jemand dahinter kommen, nehm ich das auf meine Kappe und sage einfach, ich hätte meiner Freundin hinterher spioniert. Deine Kleine hat mir ja schon immer gefallen“, fügte er noch zwinkernd hinzu und Joska boxte ihn halb entsetzt, halb freundschaftlich in den Rücken.
„Du bist ein echter Freund, lieber Paul. Aber danke, dass du mir hilfst. Es könnte sogar sein, dass meine liebe Nora schon wieder mal dabei ist, sich in Sachen einzumischen, die sie eigentlich nichts angehen. Vielleicht ist es gar nicht so verkehrt, wenn auch du weißt, wo sie sich aufhält. Dennoch bitte ich dich, zunächst noch niemanden
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