Ohne Beweis (German Edition)
einzuweihen. Vielleicht täusche ich mich ja auch und sie macht wirklich nur Urlaub. Ich halte dich aber auf dem Laufenden.“
„Alles klar – ich bleib dran und … Joska!“, rief er seinem Kollegen nach. „Hol Nora zurück! Sie liebt dich und ihr gehört zusammen.“
„Ich weiß“, sagte Joska nur und musste einen Kloß im Hals runterschlucken. Er liebte seine Nora ja auch wie verrückt, aber sie schien das nicht zu verstehen. Warum war sie einfach abgehauen und hatte sich nicht einmal seine Erklärung anhören wollen?
42
Carmen schrak hoch, als es an der Türe klapperte. Jemand war gekommen und hatte einen Schlüssel ins Schlüsselloch gesteckt. Während dieser mehrmals umgedreht und schließlich die Türe aufgestoßen wurde, kauerte sich die verängstigte Frau noch enger in eine Ecke der düsteren Hütte. Inzwischen drang auch kaum mehr ein Lichtstrahl durch die geöffnete Türe, es musste also inzwischen Nacht sein. Zitternd beobachtete sie den großen schemenhaft zu erkennenden Mann, der schwer bepackt mit Tüten und Taschen hereinkam und dann alles genau in die Ecke warf, in der seine Gefangene lag. Ein kantiges, schweres Etwas fiel Carmen auf den Fuß, sie konnte jedoch einen Schmerzensschrei unterdrücken. Vielleicht konnte sie fliehen, bevor er Licht gemacht hatte? Noch hatte er sie nicht bemerkt und voller Hoffnung stemmte sie sich langsam hoch. Sie würde jedoch mit beiden Füßen auftreten müssen, denn wenn sie hüpfen würde, würde er sie ganz sicher hören. Während der Mann nach den Streichhölzern suchte, die Carmen jedoch alle verbraucht hatte, schlich sie zitternd und mit zusammengebissenen Zähnen in Richtung Türe. Bei jedem Schritt fuhr ihr ein stechender Schmerz vom Knöchel aus durch den Körper und sie konnte ihn fast nicht ertragen, doch der Wille, hier herauszukommen, war stärker. Die Tränen liefen ihr über die Wangen, doch das konnte ihre schlechte Sicht auch nicht allzu sehr trüben, denn in dieser Finsternis war sowieso fast nichts zu sehen.
Inzwischen fluchte der Mann in einer ihr unbekannten Sprache, doch dann rief er unvermittelt honigsüß:
„Evalein, wach auf! Bin wieder da. Hab gute Sachen zum Essen und Trinken gekauft. Wo sein die verdammten Feuerstäbe?“
Bei den Worten „Essen und Trinken“ lief Carmen sofort das Wasser im Munde zusammen und einen Augenblick war sie versucht, doch hier zu bleiben, doch irgendetwas sagte ihr, dass von diesem Mann eine Gefahr ausging und sie hier weg musste. Also schlich sie weiter auf den Ausgang zu. Kamil war inzwischen an der Liege angekommen und tastete nach seiner Frau. Gerade, als er die Decke zurückschlug und feststellte, dass dort niemand mehr lag, stolperte seine Gefangene zur Türe hinaus und humpelte aus einer Eingebung heraus nicht auf dem Weg hinunter in den Wald, sondern um die Hütte herum und kauerte sich hinter einen Busch, der direkt an der Hütte stand. Mit unerträglich pochendem Knöchel und hämmerndem Herzen lag sie nun auf dem kühlen Erdreich und ließ ihren Tränen freien Lauf. Er würde sie finden – irgendwann – hatte sie überhaupt eine Chance, ihm in ihrem Zustand zu entkommen?
Ich konnte es nicht fassen – meine Eva oder Carmen – wie auch immer – wollte tatsächlich abhauen. Warum nur? Ich hatte mich doch so liebevoll um sie gekümmert. Oder hatte sie inzwischen ihre Erinnerungen wiedergefunden und war wütend, dass ich sie angelogen hatte? Oder nahm sie es mir nur übel, dass ich sie eingesperrt hatte? Oder noch schlimmer – hatte sie überhaupt keine Erinnerungen mehr und dachte nun, sie würde von einem Fremden hier festgehalten? Weit konnte sie jedoch noch nicht gekommen sein, denn sie musste gerade eben erst durch die Türe gegangen sein. Hatte ich nicht gerade ein Geräusch gehört? Wenn ich nur eine Taschenlampe oder wenigstens ein Streichholz finden könnte. Warum musste auch gerade in dieser Nacht Neumond sein – hier war es stockfinster. Für einen Verfolger war das schon schwierig, aber für den Flüchtenden ebenso. Diese dumme Frau musste noch hier irgendwo in der Nähe sein – vielleicht konnte ich sie mit lieben Worten zurücklocken?
„Komm zurück, Eva-Mäuschen. Sorry, dass ich dich eingesperrt. Du so fest geschlafen. Wollte nicht, dass jemand Fremder zu dir in Hütte kommt und dir was antut. Wollte dir heute Abend was Gutes kochen. Du keinen Hunger?“, hörte Carmen und musste trocken schlucken. Natürlich hatte sie Hunger und vor
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