Ohne Beweis (German Edition)
allem Durst! Was sollte sie nur tun? Wollte sie wirklich hier weg? Führte dieser Mann wirklich etwas Böses im Schilde oder war er doch ihr Ehemann und sie hatte nur einen Unfall gehabt und war deshalb so durcheinander? Doch wer waren dann diese ihr ähnlich sehende Frau und die zwei Kinder, von denen sie die ganze Zeit träumte? Vielleicht konnte Karsten – so hieß er doch? – ihr auch diese Fragen beantworten? Sollte sie zurück zu ihm gehen oder doch lieber versuchen zu fliehen?
„Nun komm schon, Eva! Wir wollten uns doch ein schönes Wochenende in unserer Sommerhütte machen. Du schon vergessen? Oder willst du Verstecken spielen?“, sagte ich und versuchte, meine Stimme so verführerisch wie möglich klingen zu lassen. Vielleicht konnte ich ihr so einreden, dass wir ein glücklich verliebtes Ehepaar waren und dass mir solche Versteckspielchen durchaus gefallen könnten. Selbst wenn sie sich daran erinnern sollte, dass sie eigentlich Carmen Lechner hieß und hier in Danzig bei mir Urlaub gemacht hatte, brauchte sie vor mir doch keine Angst zu haben. Wir waren doch gut, wenn nicht sogar sehr gut befreundet gewesen und dass ich nach ihrem Gedächtnisverlust das Spiel mit dem Ehemann und einem falschen Namen erfunden hatte, konnte ich ihr doch auch als ein „Spielchen“ verkaufen. Doch dazu musste sie erst mal zu mir zurückkommen.
„Nun hab dich doch nicht so, Eva.“ Ich wollte zunächst bei dieser Variante bleiben. „Du bei der Dunkelheit und mit kaputte Knöchel sowieso nicht weit kommen. Du kommen zurück, ich koche und dann reden, okay?“
Diese Worte mussten sie doch zurücklocken, so dumm konnte sie doch nicht sein. Sie würde verdursten, nochmal stürzen und sich wieder verletzen. Sie hatte kein Geld und keinen Pass und würde es sowieso in ihrem konfusen Zustand nicht weit schaffen. Und falls sie doch auf irgendwelche Leute stoßen würde – sie sprach nicht unsere Sprache und welchen Namen würde sie denen sagen? Carmen Lechner oder Eva ohne Nachnamen? Das musste ihr doch bewusst sein – sie brauchte mich – ohne mich war sie ein Niemand.
43
Nora saß inzwischen erschöpft auf ihrem Bett in einem heruntergekommenen Gasthof. Sie hatte sehr lange suchen müssen, bis sie etwas Freies gefunden hatte. Es war Urlaubszeit, die nördlichen Bundesländer in Deutschland hatten schon Ferien und auch hier in Polen schien es die Hauptferienzeit zu sein. Alle guten Hotels waren belegt und erst in einem Randbezirk von Danzig war Nora fündig geworden. Das Haus war ziemlich renovierungsbedürftig und auch die Zimmer hätten dringend mal einen neuen Anstrich gebraucht. Sauber war es jedoch und das war das Wichtigste. Eigentlich hatte sich Nora vorgenommen, heute Abend noch übers Internet nach Kamil zu suchen, doch nach der anstrengenden Fahrt, die insgesamt fast vierzehn Stunden gedauert hatte, fielen ihr immer wieder die Augen zu. Erschöpft schaltete sie ihr Handy dann auch aus und fiel in einen unruhigen Schlaf.
Joska hatte unterdessen immer wieder neue Anweisungen von Paul erhalten und war nun um einundzwanzig Uhr erst kurz vor der polnischen Grenze. Er hatte schon nach drei Stunden Fahrt eine Pause einlegen müssen, um sein Handy neu aufzuladen, denn wie fast immer war er mit nur wenig Akkuleistung losgefahren. Das war wirklich ein ziemliches Übel bei ihm und hatte ihn schon öfter in brenzlige Situationen gebracht. Nach zwei Stunden Pause hatte er dann endlich weiterfahren können, um dann nach nur einer halben Stunde Fahrzeit mit einer Reifenpanne liegen zu bleiben. Das Ersatzrad war aber auch nicht in Ordnung gewesen und so hatte er sich vom ADAC zum nächsten Reifenhändler abschleppen lassen müssen. Alles in allem hatte er dadurch nochmals vier Stunden vertrödelt, denn der Reifenhändler hatte erst aus einer Filiale die passenden Reifen besorgen müssen. Bis Danzig hatte er nun mindestens noch fünf Stunden zu fahren und das würde er wahrscheinlich nicht schaffen. Zumal er die Straßenverhältnisse in Polen nicht kannte und die Route über einige Mautstraßen führte. Da Nora inzwischen wohl irgendwo eine Übernachtungsmöglichkeit gefunden hatte, wollte Joska es ihr nun gleichtun und ebenfalls einen Rasthof ansteuern. Nora würde ihm auch morgen nicht abhandengekommen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihr Handy ausschalten würde. Der junge Kommissar war sich inzwischen sicher, dass Nora auf der Suche nach Kamil und Carmen war. Sie wollte es wohl nicht
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