Ohne ein Wort
die Enid ihm aufgetischt hat. Seine zweite Ehe basiert auf Lügen, die er Patricia erzählt hat. Aber gibt es in diesem Doppelspiel tatsächlich Momente des Glücks, Augenblicke, in denen er …
»Ich muss pinkeln«, unterbrach Clayton seine Geschichte.
»Was?« Ich hatte ihm so gebannt gelauscht, dass ich im ersten Moment nicht mitbekam, was er wollte.
»Ich muss aufs Klo. Und ich kann nicht mehr lange warten.«
»Da vorn kommt eine Raststätte«, sagte ich. »Wie geht es Ihnen?«
»Nicht besonders«, sagte er. Er hustete. »Ich brauche Wasser. Und noch ein paar Schmerztabletten.«
An Wasser hatte ich nicht gedacht, bevor wir losgefahren waren. Aber wir lagen ziemlich gut in der Zeit. Es war vier Uhr morgens und wir näherten uns bereits Albany. Außerdem musste ich tanken, weswegen sich ohnehin ein Stopp anbot.
Ich stützte Clayton auf dem Weg zur Herrentoilette und führte ihn anschließend zurück zum Wagen.
Die wenigen Meter hatten ihn völlig geschafft. Ich kaufte ein Sechserpack Wasser, lief zurück zum Auto und öffnete eine der Plastikflaschen für ihn. Er nahm einen langen Schluck; ich drückte ihm vier Tylenol in die Hand, die er nacheinander hinunterspülte. Dann fuhr ich an die Zapfsäulen und tankte. Damit war ich den Rest meines Bargelds los; ich wollte meine Kreditkartenicht benutzen, da ich fürchtete, dass die Polizei inzwischen wusste, wer Clayton aus der Klinik geholt hatte, und bereits prüfte, ob irgendwo mit meiner Karte bezahlt worden war.
Ich überlegte, ob ich Detective Wedmore informieren sollte. Ich war der Wahrheit näher als je zuvor und wollte den Verdacht gegen Cynthia ein für alle Mal ausräumen. Mit einem Griff in meine Hosentasche förderte ich die Visitenkarte zutage, die sie mir bei ihrem gestrigen Überraschungsbesuch in die Hand gedrückt hatte.
Auf der Karte standen ihre Büro- und ihre Handynummer. Wahrscheinlich schlief sie mit dem Handy neben dem Bett – immer im Dienst.
Ich startete den Motor, hielt aber gleich hinter der Tankstelle wieder an.
»Was gibt’s denn?«, fragte Clayton.
»Ich will nur kurz telefonieren«, sagte ich.
Zunächst versuchte ich noch einmal, Cynthia zu erreichen. Erst rief ich auf ihrem Handy, dann bei uns zu Hause an. Ohne Erfolg.
Was mich in gewisser Weise sogar tröstete. Wenn ich nicht wusste, wo sie war, wussten es Jeremy Sloan und seine Mutter garantiert auch nicht. Und so gesehen war es verdammt schlau von ihr gewesen, Grace mitzunehmen und spurlos zu verschwinden.
Trotzdem – ich musste unbedingt herauskriegen, wo sie waren. Und ob mit ihnen alles in Ordnung war.
Ich überlegte, ob ich Rolly anrufen sollte, kam aber zu dem Schluss, dass er sich längst selbst gemeldet hätte. Außerdem hatte das Handy so gut wie keinen Saft mehr. Der Akku hielt ziemlich lange, wenn das Gerät aufBereitschaft geschaltet war, aber sobald man telefonierte, war er im Nu leer.
Ich tippte Detective Wedmores Handynummer ein. Beim vierten Klingeln ging sie dran.
»Wedmore«, sagte sie. Sie gab ihr Bestes, so hellwach wie möglich zu klingen, aber es war trotzdem ein ziemlich lahmer Versuch.
»Hier spricht Terry Archer«, sagte ich.
»Mr Archer«, sagte sie, nun schon deutlich konzentrierter. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich erzähle Ihnen jetzt ein paar Dinge im Schnelldurchlauf, mein Handy gibt nämlich gerade den Geist auf. Sie müssen dringend nach meiner Frau fahnden. Ein Mann namens Jeremy Sloan ist zusammen mit seiner Mutter, einer gewissen Enid Sloan, von Buffalo unterwegs nach Connecticut. Offenbar haben sie vor, Cynthia zu töten. Cynthias Vater lebt. Er sitzt neben mir im Auto. Wenn Sie Cynthia und Grace finden, lassen Sie die beiden unter keinen Umständen aus den Augen, bevor ich zurück bin.«
Ich hätte zumindest ein verblüfftes »Was?« erwartet. Stattdessen erwiderte sie nur: »Wo sind Sie?«
»Auf dem New York Thruway. Ich komme gerade aus einem Ort namens Youngstown in der Nähe von Buffalo. Vince Fleming hat mich dorthin begleitet. Sie wissen doch, wer das ist, oder?«
»Ja.«
»Er wollte mir helfen. Die Frau, von der ich eben gesprochen habe, hat ihn niedergeschossen. Enid Sloan.«
»Ich verstehe kein Wort«, sagte Detective Wedmore.
»Ich meine es ernst. Sie müssen sie unbedingt aufhalten.«
»Was für einen Wagen fahren dieser Jeremy Sloan und seine Mutter?«
»Einen braunen …«
»Impala«, brachte Clayton hervor. »Einen Chevy Impala.«
»Einen braunen Chevrolet Impala«, gab ich durch. Ich warf
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