Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
Vom Netzwerk:
definitiv keine mehr.

    Schweigend fuhren wir nach Hause.
    Als wir daheim angekommen waren, blinkte das Lämpchen am Anrufbeantworter. Wir hatten eine Nachricht von der Deadline -Redaktion.
    Es hatte sich jemand gemeldet. Jemand, der zu wissen behauptete, was mit Cynthias Familie geschehen war.
    Cynthia rief sofort zurück und wartete, bis irgendwer die zuständige Redakteurin aufgestöbert hatte, die gerade Kaffeepause machte. Schließlich aber war sie am Apparat. »Wer hat angerufen?«, fragte Cynthia atemlos. »Es war doch mein Bruder, nicht wahr?«
    Nach wie vor war sie überzeugt davon, dass der Fremde ihr Bruder Todd gewesen war.
    Nein, antwortete die Redakteurin. Nicht ihr Bruder. Sondern eine Frau mit parapsychologischen Fähigkeiten. Die ausgesprochen glaubwürdig klang, jedenfalls soweit sie es beurteilen konnte.
    Cynthia legte auf. »Es war eine Hellseherin.«
    »Cool!«, platzte Grace heraus.
    Na super, dachte ich. Darauf hatte ich nur gewartet.

ELF
    »Wir sollten uns wenigstens mal anhören, was sie zu sagen hat«, meinte Cynthia.
    Es war am selben Abend; ich saß am Küchentisch und korrigierte Klassenarbeiten. Seit dem Telefonat mit der Deadline -Redakteurin kreisten Cynthias Gedanken ausschließlich um die Hellseherin. Meine Begeisterung hielt sich nach wie vor stark in Grenzen.
    Während des Abendessens hatte ich mich eher schweigsam gezeigt. Danach war Grace nach oben auf ihr Zimmer gegangen, um Hausaufgaben zu machen, und Cynthia räumte das benutzte Geschirr in die Spülmaschine.
    »Terry, wir müssen darüber reden«, sagte sie schließlich.
    »Was gibt’s da groß zu reden?«, sagte ich. »Na schön, eine Hellseherin hat beim Sender angerufen. Und das ist ja wohl kaum besser als der Anruf von diesem Verrückten, der behauptet hat, deine Familie sei durch einen Riss in der Zeit gefallen. Am Ende malt dir diese Tante noch aus, wie deine Eltern jetzt auf einem Brontosaurus reiten oder mit der Karre von Fred Feuerstein durch die Gegend brettern.«
    Cynthia drehte sich ganz zu mir um. »Wie kannst du nur so gehässig sein?«
    Ich sah von dem grauenhaften Aufsatz über Walt Whitman auf, der vor mir lag. »Was?«
    »Wie kannst du nur so hämisch daherreden?«
    »Tu ich doch gar nicht.«
    »Und ob. Du bist immer noch sauer auf mich. Wegen der Sache im Einkaufszentrum heute.«
    Ich schwieg. Da war etwas dran. Auf dem Nachhauseweg hatten wir kein Wort miteinander gewechselt. Ich hätte Cynthia nur allzu gern ein paar unschöne Wahrheiten aufgetischt, ließ es aber lieber bleiben. Dass ich die Nase allmählich voll hatte. Dass das Leben weiterging. Dass sie sich der Tatsache stellen musste, dass ihre Eltern und ihr Bruder auf Nimmerwiedersehen verschwunden waren und sich nichts geändert hatte, nur weil sich der Tag ihres Verschwindens zum fünfundzwanzigsten Mal jährte oder die Redaktion einer zweitklassigen News-Show Interesse an ihrer Geschichte gezeigt hatte. Keine Frage, sie hatte einen furchtbaren Verlust erlebt, doch inzwischen hatte sie eine andere, neue Familie, der sie es schuldig war, im Hier und Jetzt zu leben, statt ihren lange verschollenen Verwandten bis in alle Ewigkeit hinterherzutrauern; aller Wahrscheinlichkeit nach würden sie sowieso nie wieder auftauchen.
    Aber ich hatte nichts gesagt. Ich brachte es einfach nicht über mich. Trotzdem fühlte ich mich außerstande, sie irgendwie zu trösten. Als wir wieder zu Hause waren, verzog ich mich ins Wohnzimmer, machte den Fernseher an und schaltete von einem Kanal zum anderen, unfähig, mich auf irgendetwas länger als drei Minuten zu konzentrieren. Währenddessen begann Cynthiazu putzen, staubzusaugen, das Bad auf Vordermann zu bringen und die Regale in der Speisekammer zu entrümpeln, nur um nicht mit mir reden zu müssen. Es herrschte dicke Luft, aber immerhin war unser Haus hinterher reif für Schöner Wohnen .
    Ich war genervt. Der Anruf dieser Hellseherin bei der Deadline -Redaktion hatte das Fass zum Überlaufen gebracht.
    »Nein, ich bin nicht sauer«, sagte ich, während ich lustlos in dem Stapel Hausarbeiten blätterte, den ich noch korrigieren musste.
    »Ich kenne dich genau«, sagte Cynthia. »Klar bist du sauer. Es tut mir leid, was passiert ist. Ich kann mich nur bei dir und Grace entschuldigen, und am liebsten würde ich noch obendrein vor dem armen Mann zu Kreuze kriechen, den ich belästigt habe. Mir ist das alles zutiefst peinlich. Aber was soll ich denn deiner Meinung nach noch tun? Ich bin bereits alle vierzehn Tage bei

Weitere Kostenlose Bücher