Ohne Ende Leben - Roman
Augenblick werden die Küchentüren explosionsartig aus den Angeln gerissen. Die Feuerriesen haben uns gefunden.
»Gehört das zur Wrestlingshow?«, fragt ein Mann am Nachbartisch seine Freunde.
Eine zweite Explosion erschüttert das
Preakfast Pretzel
. Als Trümmer von der Decke fallen und Flammen aus den Wänden schießen, beginnen die Menschen zu kreischen. Ich aber erkenne, dass das nicht einfach Flammen sind, es sind gigantische brennende Männer. Ihre Augen sind schwarze Löcher und die Mäuler bestehen aus spitzen, flackernden Zähnen. Die Giganten sind schnell und zielgerichtetund gnadenlos, und sie hinterlassen Spuren der Verwüstung. Sie springen voller Freude von den Wänden und landen, wo immer sie wollen. Sie zertrümmern Tische, werfen Stühle um, zerfetzen den Bodenbelag. Alles, was sie anfassen, verbrennt zu Asche. Zwei der Kreaturen kriechen an der Decke entlang, beißen sich mit ihren Zähnen fest und reißen gewaltige Löcher in die billigen weißen Deckenplatten. Der Raum füllt sich mit stechendem Rauch. Mütter packen ihre Kinder, Fernfahrer lassen ihre Pfannkuchentürme stehen und liegen; Kellnerinnen verlassen panisch die Küche und rennen schreiend auf die Ausgänge zu.
»Cameron! Alter! Wir müssen hier raus!« Gonzo reicht mir die Hand, aber ich kann mich nicht vom Fleck rühren. Meine Beine bewegen sich nicht.
Der Rauch teilt sich und der Große Abrechner strahlt im Feuerschein wie ein Cyborgritter. Ein schwarzer Umhang flattert hinter ihm. Er hat sich einen Umhang zugelegt, dieser unverschämte Bastard. Er scheint größer und stärker als bei unserem letzten Zusammentreffen. Mein Hirn befiehlt mir loszurennen, aber mein Körper will den Befehl nicht übersetzen. Der Abrechner deutet direkt auf mich und mein Herz rutscht mir in die Hose. Die Beinmuskeln zucken und verkrampfen sich total, und ich sacke in mich zusammen.
»Cameron! Los, hoch, Alter!«, schreit Gonzo.
Mit den Händen ziehe ich mich unter den Tisch, presse meine Knie an die Brust und ringe um Atem. Auf der anderen Seite des Restaurants schält sich der Große Abrechner aus dem Raumanzug. Mitten auf seiner Brust öffnet sich ein schwarzes Loch, und mir ist, als würde ich hineingezogen.
»Nein«, krächze ich, »nicht jetzt.« Ich schließe die Augen und versuche dem Sog zu widerstehen.
Und dann fühle ich nichts mehr.
Als ich die Augen öffne, liege ich im Gras und blinzle gegen das helle Sonnenlicht. Der beißende Rauch ist verschwunden. Tatsächlich riecht die Luft süßlich, wirklich süßlich. Wie nach Blumen. Ich atme tief durch die Nase ein.
»Das, was du riechst, sind Maiglöckchen. Sehr angenehm, stimmt’s?«
»Ahhhhh!«, kreische ich, fahre hoch und krabble rückwärts wie eine Spinne. Meine Augen verschaffen sich einen kurzen Überblick: Blumen, Gras, Papierlaternen und darüber heller Sonnenschein. Ein paar Schritte entfernt steht die alte Lady aus dem Krankenhaus. Sie trägt noch ihren Bademantel und ihr Namensschildchen am Handgelenk, hat sich jetzt aber eine gemusterte Rindslederschürze umgebunden und einen breitkrempigen Sonnenhut aufgesetzt. Mit einer langen, dünnen Schere schnipselt sie an ihren Gartenpflanzen herum.
»Was geht hier vor? Wo bin ich?«, keuche ich.
Die alte Dame lächelt und breitet ihre Arme weit aus. »Das ist der Ort, von dem ich dir erzählt habe – mein Haus am Meer.«
»Was? Das ist Wahnsinn – vor zwei Sekunden war ich noch in einem Restaurant und es brannte und …« Ich höre es. Das Meer. Ich sehe mich um. Hinter mir steht ein zweistöckiges Farmhaus, von dem aus man über das ruhige Meer blicken kann. Die Wellen schlagen sanft an den felsigen Strand, vor und zurück, vor und zurück. Das macht mich ganz schläfrig. Alles ist so friedlich.
»Und sehet, der Winter ist vergangen, der Regen ist weitergezogen; und auf der Erde blühen wieder die Blumen.« Die alte Dame mustert mich. »Du hast einen Marmeladenfleck an deiner Wange, Schätzchen.«
Ich wische mir übers Gesicht. »Wirklich? Ich glaub, ich werd langsam verrückt.«
»Dafür gibt’s keinen Grund«, sagt sie und summt vor sich hin. »Die
Copenhagen Interpretation
. Ich liebe sie einfach! Hab gehört, sie sind Inuits?«
»Ich … ich hab meine Freunde im Diner zurückgelassen, mit den Feuerriesen und dem verdammten Abrechner.«
»Die Gehilfen des Chaos«, bellt sie. »Oh ja, wir leben in schlimmen Zeiten. Bist du sicher, dass es dir gut geht, Schätzchen?«
»Ich bin so müde. Ich will einfach
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