Ohne Ende Leben - Roman
Idee ist, Cameron. Du brauchst mich.«
»Ich brauche dich?« Ich denke über eine Retourkutsche nach, aber die Wahrheit ist, dass ich einfach glücklich bin, sie zu sehen.
»Du hast Traubengelee an deiner Backe«, sagt sie und reibt es weg. »Oh, außerdem: Eben kam etwas rein.«
»Kam von wo rein? Von der Engelzentrale?« Dulcie antwortet mir nicht. »Wow, habt ihr einen Arbeitsplatz? Gibt’s ein mittleres Management und einen nervigen Engel, der den ganzen Kaffee wegsäuft, aber nie dran denkt, neuen zu kochen?«
Dulcie verpasst mir einen scherzhaften Boxhieb auf den Arm. »Sehr lustig, Cameron. Du weißt, dass ich dir gern alles darüber erzählen würde, aber leider müsste ich dich danach umbringen. Jedenfalls … das ist gerade aufgetaucht: neues Filmmaterial von Dr. X.«
Sie klappt einen MP 7-Player auf und drückt auf Play. Ein unscharfer Videofilm ist zu sehen. Ein Typ im Laborkittel in einem weißen Raum. Die Szene kommt mir irgendwie bekannt vor. »Warte – ich hab diesen Typen schon mal gesehen! In der Nacht, bevor die Feuerriesen auftauchten, war ich im Internet und bin auf seiner Seite gelandet. Er hat mich zu Dr. X geführt.«
»Alles hängt mit allem zusammen«, sagt Dulcie mit sanfter Stimme und dreht den Ton lauter.
Die Tonqualität ist scheiße. Die Worte werden immer wieder von Rauschen unterbrochen. »… So nahe daran,die Antwort zu finden …
pschschschttt
… Der Ablauf der Zeit ist eine Illusion; Zeit …
pschschschttt
… existiert nicht, oder genauer gesagt: Wir leben immer in allen Zeiten gleichzeitig …
pschschschttt
… als ob wir die Hände ausstrecken und berühren können, was vor uns kam und was noch aussteht …
pschschschttt
… und jetzt folgt das Wichtigste von allem …
pschschschschtttt
…«
Plötzlich springt das Bild um, wie wenn man den Kanal wechselt und sich mitten im Ferienfilm von irgendjemandem wiederfindet. Wackelige Aufnahmen von Leuten, die in kurzen Hosen herumlaufen, Gemurmel, muntere Musik, winkende Zeichentrickfiguren. Die Kamera schwenkt hinüber zu einem Tor, das mit farbenfrohen Planeten und solchem Zeugs verziert ist. Auf einem Schild steht:
TOMORROWLAND
– DIE ZUKUNFT, DIE ES NIE GAB. Der Film stoppt und ein kleines Play-Again-Symbol erscheint.
»Was, zum Teufel, ist da passiert?«
Dulcie seufzt. »’tschuldigung. Ich war schon froh, dass ich wenigstens das bekommen hab.«
»Was soll das ganze ›Zeit existiert nicht‹-Gerede? Ich meine, wie wär’s mit: ›Hey, hier ist das Heilmittel, das du brauchst. Oh, und lass mich dir noch erzählen, wie man das Wurmloch schließt und die Welt rettet. Du musst in Alabama nur links abbiegen und bald wird’s dir besser gehen.‹«
»Es tut mir leid, Cameron. Ich weiß, das ist frustrierend.«
»Was du nicht sagst.«
»Ich will’s dir ja nicht schwerer machen, aber ich glaub, unsere Uhr tickt jetzt ein bisschen schneller. Falls der Abrechner Dr. X vor uns kriegt, werden sie ihn wieder durchs Wurmloch zerren, und dann ist alles aus.«
»Na toll«, sage ich.
Sie beißt sich auf die Unterlippe. »Bist du dir inzwischen über die Bedeutung des Ganzen im Klaren? Bist du dir überhaupt über etwas im Klaren?«
Ich schüttle den Kopf.
Dulcies Gesichtsausdruck ist unergründlich. »Okay. Nun, ich werd mal sehen, was ich über Dr. X noch herausfinden kann. Du schaust, dass du weiterkommst, und folgst jedem Zeichen, das du findest.«
»Also gehst du wieder?«
»Ich bin hier, wann immer du mich brauchst.« Sie grinst albern, und ich möchte ihr gern sagen, dass sie in der Nähe bleiben, unsere schräge Bande treffen und ein paar Pfannkuchen essen soll. Ich möchte ihr gern was Cooles sagen, etwas, damit sie weiterlächelt, aber mir fällt einfach nichts ein.
»Você é vaca do meu contentamento«
, zitiere ich einen Song von
Great Tremolo
.
Dulcie guckt mich komisch an und bricht in Gelächter aus. »Du bist die Kuh, die mich zufrieden macht? Wow. Ich bin sprachlos.«
»Ist das das, was ich gesagt habe?«
»Ich fürchte.«
»Ich hab’s gewusst.«
»’türlich.« Ihr Gelächter erstirbt. Sie schreckt zurück, die Augen weit geöffnet.
»Was ist los?«, frage ich und folge ihrem Blick in den vorderen Bereich des Restaurants, sehe jedoch nichts Ungewöhnliches. Eine Bedienung direkt neben einem Stapel Speisekarten. Leute, die zahlen. Ein Typ im T-Shirt mit dem Aufdruck
Vereinigte Schneekugel-Großhändler
, der eine Palette mit Kartons hereinfährt. Ein Mann,
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