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Ohne Ende Leben - Roman

Ohne Ende Leben - Roman

Titel: Ohne Ende Leben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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keine Lüge durch sein Gemäuer dringen darf. Meine großartige, meine strahlende Halle.« Seine Stimme schwankt. »Mein Zuhause.«
    Balders Augen funkeln voller Stolz und Trauer. Ich mussan mein staubiges Städtchen in Texas denken. Außer
Eubie’s
gibt es nicht viel, was ich vermissen würde.
    »Du bist nicht der Einzige, der Schmerz und Kummer empfindet, Cameron. Es gab während meiner Gefangenschaft viele Momente, in denen ich mir von ganzem Herzen wünschte, nicht unverwundbar zu sein und sterben zu können. Aber dann kamst du. Deine Suche gab mir wieder Hoffnung.«
    Seine Augen suchen meine. Ich nicke in Richtung der inzwischen rauchgeschwärzten Marshmallows. Balder schüttelt sie vom Stock, überlässt sie dem Feuer und wiederholt die Prozedur mit frischen.
    »Du bist wie der Göttervater Odin«, sagt er nach einem Weilchen.
    »Wie meinst du das?«
    Balder dreht den Stock im Feuer. »Als Odin hörte, dass Ragnarök naht, das Ende der Herrschaft der Götter, verlor er alle Freude. Er konnte es einfach nicht ertragen, das Schicksal im Voraus zu kennen. Er verweigerte jede Nahrung und versank in Verzweiflung.
    »So dramatisch bin ich nicht veranlagt«, sage ich, weil er mir das Gefühl gibt, ich sei ein Jammerlappen.
    »Du verstehst nicht, worum es geht. Wie Odin siehst du nur das nahe Ende und verlierst den Glauben daran, was gut ist, hier und jetzt.«
    Ich lehne meinen Kopf zurück. Der Mond stanzt ein Loch in den Nachthimmel, eine Wunde, die wohl niemals heilen wird. »Woran sollte ich also glauben?«
    »Das kann ich dir nicht sagen. Für mich ist es der Traum, dass die
Ringhorn
am Meer auf mich wartet. Dass ich durch den ewigen Nebel segle, bis Breidablik in der Ferne leuchtet. Dass ich nach Hause zurückkehre. Hier.« Balder bietetmir das klebrige braune Zeugs am Ende des Stocks an. »Du brauchst was Nahrhaftes.«
    »Das ist ein Marshmallow«, sage ich, aber Balder besteht darauf, dass ich es nehme. Vorsichtig löse ich das blubbernde Ding vom Stock, puste und stecke es in den Mund, wo es meine Zunge mit dem Geschmack verbrannter Süßigkeiten überzieht.
    »Danke.«
    Im Feuerschein sind Balders Konturen scharf ausgeleuchtet. Ich habe nie die winzigen Runzeln in den Augenwinkeln bemerkt, die die Erschöpfung dort eingeätzt hat.
    »Die Finsternis weint nicht um ihrer selbst willen darüber, dass sie nicht das Licht ist. Sie akzeptiert vielmehr ihren dunklen Zustand. Man sagt, dass selbst die Götter sterben müssen.« Er zwinkert. »Aber nicht kampflos.«
    »Kann ich noch ’n Marshmallow haben?«, frage ich.
    Balder grillt mir noch eins und es schmeckt so gut wie das erste. »Falls du mehr Hilfe brauchst – ich könnte noch eine Rune ziehen.« Er zerrt seinen Lederbeutel unterm Kittel hervor. Schicksalsschwanger liegt das Säckchen in seiner Hand.
    Ich schüttle den Kopf. »Lass uns einfach sehen, was auf uns zukommt.«
    Er schiebt das E-Ticket -Armband ein bisschen näher zu mir. Er denkt, er ist schlau. Wikinger! Nicht gerade Meister der Raffinesse. Mit einem Seufzer hebe ich es auf, und er hilft mir, das Band wieder am Arm zu befestigen. Die Wolke verwandelt sich zu einem formlosen Fleck. Ein Waschbär taucht auf und schnüffelt nach Essbarem. Ein paar Augenblicke lang läuft er ums Feuer herum, hält die Schnauze in die Höhe und schnuppert. Und dann verschwindet er hastig im Gebüsch.

KAPITEL ACHTUNDDREISSIG
    In dem wir entdecken, was für Arschlöcher diese Sterblichen sind
     
    Die hundert Meilen bis Daytona sind ein hartes, schweigsames Geschäft. Außer Balder und mir ist jeder verkatert. Ungefähr alle acht Meilen muss ich rechts ranfahren und jemanden kotzen lassen. Die Typen haben sich auf der Rückbank ausgebreitet und schlafen, wenn ihnen nicht gerade übel ist. Auf dem Beifahrersitz hat sich Gonzo eingerollt, den Kopf an die Seitentür gelehnt und den Sicherheitsgurt locker quer über den Bauch, wie den Arm einer Mutter, die ihr Kind festhält. Er trägt eine Kleinmädchen-Sonnenbrille, die wir in einem Minimarkt gekauft haben. Die Gläser sehen aus wie orangefarbene Katzenaugen und das geschwungene Gestell ist mit Glitzersteinchen besetzt. Er wollte eigentlich die verspiegelte Pilotenbrille, aber die Erwachsenenmodelle waren zu groß für sein Gesicht. Glücklicherweise ist es einem scheißegal, was man auf der Nase hat, wenn man total verkatert ist und die Sonnenstrahlen die Augen foltern.
    Das Land wird flacher, je näher wir ans Meer kommen, als ob wir uns auf dem Weg zum Rand der

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