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Ohne Ende Leben - Roman

Ohne Ende Leben - Roman

Titel: Ohne Ende Leben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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»Balder.« Und ich weiß, dass ich im Augenblick nichts anderes tun kann.
    Wir laufen zu unserem tapferen Wikinger, um ihn zu retten. Er ist bis zum Hals im Sand eingegraben und das Stück Holz steckt immer noch in seinem Körper.
    Ich gebe dem Kind zehn Dollar. »Für den Gartenzwerg.«
    Wir tragen Balder an einen abgeschiedeneren Ort. »Ich hab sie gesehen. Ich hab   …
Ringhorn
gesehen.« Wir helfen ihm auf die Beine. Er zuckt zusammen. »Cameron? Geht’s dir   … gut?«, fragt er.
    »Sie haben Dulcie. Sie haben sie in eine Schneekugel gesteckt.« Ich versuche, nicht zu weinen. Meine Augen brennen.
    »Das tut mir   … leid«, sagt Balder. Er zieht am Holzspeer, kann ihn aber nicht entfernen.
    Er ist wirklich in ihm verkeilt. »Zieht ihr mal?«
    Zusammen gelingt es uns, den Stock herauszureißen. Das Ende ist glitschig und färbt meine Hände rot.
    »Oh, du meine Güte!«, ruft Balder.
    Er steht mit ausgebreiteten Armen da und starrt, völlig verwundert, auf seine Brust. Jetzt sehe ich es: Ein kleines Rinnsal Blut sickert hervor. Balder blutet!
    Gonzos Augen werden weit.
    »Meine Güte!«, wiederholt Balder. Er legt eine Hand auf die Brust. Das Blut sickert wie ein kleiner roter Wasserfall durch die geschlossenen Finger. »Dieser Stock   …« Er untersucht die Enden. Ein kleines Büschel weißer Beeren sprießt daraus hervor. Balder zerreibt die Beeren zwischen seinen Fingern und schnuppert. »Mistelzweig.«
    »Balder!«, schreie ich, als seine Beine nachgeben. Ich halte ihn fest und wir fallen in den Sand. Warmes Blut sammelt sich in meinen Handflächen. »Balder.«
    Unser Wikinger atmet flach und schnell. »Alle versprachen, Balder kein Leid zuzufügen   … außer der Mistelzweig,der noch zu jung war. Aber Loki, Loki der Betrüger   … er muss es gewusst haben   …«
    »Schschsch, nicht sprechen. Wir tragen dich zum Wagen.«
    »Nein«, sagt er und hustet. »Nein. Lasst mich hier am Strand. Für die
Ringhorn

    Es ist dunkel geworden. Die Fischerboote kehren vom Meer zurück. Ihre Positionslampen werfen einsame kleine Lichtringe aufs Wasser. Keine
Ringhorn
weit und breit.
    »Wir kommen wieder her, wenn die
Ringhorn
da ist«, lüge ich. »Du brauchst einen Arzt.«
    »Nein. Die
Ringhorn
kommt. Wartet. Bleibt bei mir«, bittet Balder inständig.
    Gonzo hat die Arme verschränkt. Er stampft auf und weint nahezu lautlos. Nur ein ersticktes Schluchzen ist zu hören, tief in seinem Inneren.
    »Wartet mit mir«, bittet Balder noch einmal.
    Wir halten die ganze Nacht Wache. Zwischendurch sehen wir nach dem Lkw. Manchmal murmelt Balder ein paar Worte im nordischen Singsang. Dann greift er nach etwas, was er nicht erreicht und was wir nicht sehen können. »Die Finsternis weint nicht«, flüstert er. Gegen Sonnenaufgang wird er so ruhig, dass ich mir Sorgen um ihn mache. Die Frühaufsteher unter den Surfern gewöhnen sich gerade an die Wellen. Möwen kreisen über uns.
    »Ich mag   … diese Töne.« Balders Worte sind nur noch ein flaches Keuchen.
    Zuerst denke ich, er meint Gonzos Schniefen. »Welche Töne, Balder?«
    »Die Möwen. Wie sie kreischen. Und die Wellen. Wie sie antworten. Wie sie   … den Strand überspülen. Sag ihnen, alles ist   …« Seine Augen rollen hin und her, wie wenn ernach dem Wort, nach dem Gedanken sucht. Er schaut mich an, als ob er es gerade gesagt hätte. »Gut?«
    Ich lausche, aber alles, was ich höre, ist das Geschrei dieser verdammten Vögel. Einer fängt an, die anderen stimmen ein. Dann kreischen sie alle auf einmal. Es ist ein schreckliches Geräusch.
    »Balder   …«, sage ich.
    Auf seinen Lippen liegt noch dieses eigenartige kleine Lächeln. Seine Augen starren unbewegt in die Ferne. Die Möwen fliegen davon und lassen nichts zurück als das tröstliche Rauschen der Wellen, die an den Strand brausen, den Sand überspülen und sich wieder zurückziehen, immer und immer wieder.
Alles. Gut. Alles. Gut. Alles. Gut.
     
    Wir brauchen einige Zeit, um alles zusammenzutragen, was wir benötigen. Wir finden ein Surfbrett, einen Pappkarton von der Tacobude, ein herrenloses T-Shirt , Muscheln und eine Handvoll Seegras und Stöckchen. Mit Klebeband fixieren wir den Karton am Surfbrett und pimpen das Ganze mit dem Rindergehörn des Caddys. Wir füllen die Schachtel mit Sammys Surferanzug und all meinen
Great Tremolo - CDs
. Als wir damit fertig sind, legen wir Balders leblosen Körper ganz sanft obendrauf, gekleidet in sein Kettenhemd und mit dem Helm auf dem Kopf, wie ein

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