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Ohne Ende Leben - Roman

Ohne Ende Leben - Roman

Titel: Ohne Ende Leben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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zähle ich siebenundzwanzig Engelstatuen.
    »Könntest du dich etwas deutlicher ausdrücken?«, fragt Gonzo.
    »Er sagte, ich würde ihn erkennen. Lass uns weitersuchen.«
    »Hey, guck dir mal das an!«, brüllt Gonzo und klettert auf die Grabplatte eines kaffeefarbenen Mausoleums. »Was ist das denn für ein Scheiß-Schloss? Oh, Scheiße. Darf man auf einem Friedhof ›Scheiße‹ sagen oder verwandelt man sich dann in einen Zombie?«
    Ich atme tief ein. »Jetzt ist es eh zu spät.«
    Gonzo reißt die Augen auf, und ich weiß, dass er kurz vor einer totalen Panikattacke steht. »Ich mein’s ernst. Du glaubst doch nicht etwa, dass hier irgendein Voodoozauber abgeht, so was wie Hände, die sich aus Gräbern strecken, und so’n Zeugs. Jetzt echt, Alter?«
    »Keine Hand wird durch ne Steinplatte brechen, okay, Gonzo? Beruhig dich!«
    »Klar, okay«, sagt er und atmet tief aus. »Das wär der Zombiehimmel hier, Mann. Ich wollt, wir würden nen Horrorfilm drehen, Alter. Das wär echt hammermäßig!«
    Gonzo macht ein paar schräge Aufnahmen mit dem Handy. Seine Hand liegt wie eine Klaue auf einem Grabstein, als ob er gerade von den Toten aufersteht. Das sieht aus wie auf einem Horrorfilmplakat. Das Ganze wird von »Aaaahhhs« und »Huuuhhs« begleitet und zombieartigem Gegrunze aus den Tiefen seiner Kehle.
    »Sehr witzig. Kannst du kurz mal damit aufhören, die
Auferstehung des lebenden Arschgesichts
zu spielen und mir dabei helfen, Juniors Botschaft zu finden?«
    Ein paar Meter entfernt schnattern drei blonde Mädchen auf Deutsch, während sie Fotos von den verfallenden Grabsteinen machen. Eins der Mädchen fragt mich in holprigem Englisch, ob ich von ihnen ein Foto machen könne.
    »No-a speak English«, sage ich und drehe mich weg.
    »Ich mach’s«, sagt Gonzo.
    Ich will ihn eben an unseren Auftrag erinnern, aber er hat schon den Fotoapparat in der Hand und dirigiert die Mädchen mit einer Mischung aus Spanisch, Englisch und Handzeichen, bis sie völlig durcheinander sind und nur noch gackern.
    »Copenhagen Interpretation«
, sagt eines der Mädchen. Sie spielt auf ihrem Handy ein paar Songs an und Gonzo nickt und lächelt und dann nicken sie alle und lächeln.
    Ich stehle mich auf den schmalen Wegen davon, bis ich ganz allein bin. Die Luft ist schwer von Regen, der nicht fallen wird. Sie drückt mich nieder, macht die Beine müde und schnürt meine Brust zusammen. Ich setze mich auf dieSteinstufen eines Grabmals, das unter einer Trauerweide verborgen liegt. Die Zweige hängen so tief, dass die Blätter mich an Wange und Nase kitzeln. Es riecht nach Schmerz.
    »Hey, Cowboy.«
    Als ich den Klang von Dulcies Stimme höre, fahre ich hoch und drehe mich suchend nach links und rechts.
    »Hier oben«, ruft sie.
    »Ah. Sehr schlau.« Sie posiert auf dem Dach eines weißen, kirchenähnlichen Mausoleums, Flügel angelegt, Kinn auf die Hände gestützt. Sie sieht aus wie der Denkende Engel und könnte ohne Weiteres Teil des Grabmals sein, wenn da nicht ihre Stiefel und das leuchtende, pinkfarbene Haar wären.
    Mit einem beeindruckenden Bums landet sie auf dem Boden. Ihre Stiefel befördern Wölkchen uralten Südstaatenstaubs auf meine Jeans und sie lässt sich auf einem frischen Soldatengrab nieder. »Also, was hältst du von Big Easy?«
    »Weiß nicht«, sage ich und setze mich neben sie. »Irgendwie deprimierend.«
    Dulcie legt eine Hand auf meine Schulter. »Cam, du befindest dich auf einem Friedhof.«
    »Sehr witzig.«
    Dulcie nickt in Richtung Sonnenbrille in meiner Hand. »Was ist das?«
    »Ne Sonnenbrille.«
    »Wortwörtlich. Okay. Ich spiele mit. Wo hast du sie her?«
    Sie kann mich echt verarschen. Soweit ich weiß, hat sie uns die ganze Zeit beobachtet und alles gesehen. »Dieser Typ namens Junior Webster«, sage ich und warte auf eine Reaktion. Aber ihr Gesichtsausdruck ändert sich nicht, und ich vermute, dass sie wirklich nichts weiß. Damit ist sie derlahmste Engel aller Zeiten. Ich lege los und erzähle ihr von unserer Nacht, vom Großen Abrechner und seinen Feuerriesen, wie sie auf unserem kleinen Gig aufkreuzten, und ich berichte ihr von Juniors Tod. Nur über meine Angst erzähle ich nichts. In der Ferne höre ich ein paar Brocken Deutsch und Gelächter. Offensichtlich spielt Gonzo noch Regisseur. Er sagt einem der Mädchen, es solle sich wie ein Zombie aufführen.
    »Junior hat mich beauftragt, diese Brille unter dem Engel zu vergraben und auf eine Botschaft zu warten. Tatsache ist, dass es auf diesem

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