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Ohne Ende Leben - Roman

Ohne Ende Leben - Roman

Titel: Ohne Ende Leben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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machen?
    Gonzo teilt die Spielkarten neu aus. Der Himmel wird dunkler. Im Bus gehen die Lichter an. Kleine weißlich gelbe Lichtkegel fallen auf unsere Karten und lassen unsere Hände wie gebleicht aussehen.
    »Hast du die Telefonnummer von den deutschen Mädchen vom Friedhof?«, frage ich. »Ich glaube, die waren heiß auf dich.«
    Gonzo schüttelt den Kopf. »Nicht mein Typ.«
    »Was? Weil sie Deutsche sind? Touristinnen? Mädchen?«
    Gonzo wirft mir einen Lass-es-bleiben-Blick zu.
    »Also, was ist dein Typ?«
    Er denkt eine Minute nach. »Muss süß sein, aber gefährlich aussehen. Außerdem mag ich nen Südstaatenakzent. Und Tattoos.«
    Ich muss laut lachen. »Tattoos? Boaah! Wer hätte das gedacht? Der Gonzman mag die Mädels ’n bisschen tough.«
    Er grinst. »Du weißt nicht alles über mich,
pendejo
. Ich bin ein ziemlich komplizierter Typ.«
    »Du bist ein total offenes Buch, Gonz«, sage ich und lache. »In meinem ganzen Leben hab ich keinen durchschaubareren Typen getroffen.«
    »Du kennst mich nicht, Alter«, sagt er und jetzt lächelt er nicht. Er überprüft seine Karten und bereitet den nächsten Zug vor. »Menschen glauben immer, sie würden andere Menschen kennen. Aber das tun sie nicht. Nicht wirklich. Na ja, vielleicht wissen sie ein paar Sachen über sie. Dass sie keine Donuts essen oder dass sie Actionfilme mögen oder was auch immer. Aber was ihre Freunde nachts allein in ihren Zimmern tun, wissen sie nicht, oder was sie als Kinder erlebt haben oder ob sie sich ohne ersichtlichen Grund beschissen fühlen oder traurig – sie wissen es nicht.«
    Ich sehe vor meinem geistigen Auge Gonzo allein in seinem Zimmer sitzen, wie er sich beschissen fühlt und traurig, und ich hasse das, weil ich mich jetzt in einer Weise für ihn verantwortlich fühle, die ich nicht mag.
    »Du sagst jetzt nicht so was Abgeschmacktes wie ›Menschen sind wie Zwiebeln; sie haben ne Menge Schichten‹, oder?«
    »Ich versuch nur, mich mit dir zu unterhalten. Vergiss es, Alter. Was soll’s. Spiel einfach.«
    Er legt eine Zwei ab und ich nehme sie. Ich habe ein Zweier-Paar und das war’s. Meine Karten sind beschissen.
    »Und was ist dein Typ?«, fragt Gonzo ein paar Minuten später.
    »Wow, lass mich nachdenken. Hmmm, jede, die mich haben will.« Ich lege eine weitere Karte auf den Haufen. Was ist mein Typ? Unwillkürlich kommt mir ein flüchtiges Bild von Dulcie in den Sinn, mit ihrer Rüstung und ihrem pinkfarbenen Haar. Ich schiebe es weg. »Du kennst Staci Johnson?«
    »Staci Johnson!«, knurrt Gonzo. »Das darf nicht wahr sein, Alter! Staci Johnson ist die Ausgeburt des Teufels!«
    »Weiß ich, weiß ich. Ihr Kopf ist hohl, ihr Charakter miserabel, und es gibt rein gar nichts, worüber man sich mit ihr unterhalten könnte, außer man weiß, was letzte Nacht auf
YA! TV
gelaufen ist. Aber davon abgesehen ist sie ein Sahnetörtchen. He, ich hab abgelegt.«
    Er ignoriert meine Karte und zieht eine vom Stapel. »Staci Johnson, Alter. Mir wird’s, als ob ich meine Innereien rasieren müsste, wenn du so redest.« Gonzo ordnet seine Karten in der Hand und steckt eine vom Rand in die Mitte. »Na ja, wenn du aus Florida zurück bist, wer weiß? Dann wirst du die Welt gerettet haben. So was zählt.«
    »Und ich werd braun gebrannt sein«, füge ich hinzu und schaue auf meine Arme, so weiß wie der Bauch einer Flunder.
    »Sonnenbräune funktioniert immer.«
    »Und außerdem werde ich nicht gestorben sein. Hoffentlich.«
    »Das würde sicher helfen.« Er breitet seine Karten fächerförmig auf dem Tisch aus. »Royal Flush,
Señor Pajero
. Du schuldest mir vier Tüten Chips.«
    Nach sechs Stunden Fahrt beginnt mein rechtes Bein unkontrolliert zu zucken. Das E-Ticket verliert noch ein bisschen mehr an Farbe;
Adventureland
ist ganz verschwunden und das nächste,
Frontierland
, ist blassgrün. Ich schlage das linke Bein übers rechte und lege meinen Rucksack drauf, in der Hoffnung, dass niemand was bemerkt und das Zucken bald aufhört. Es wandert weiter. Mein rechter Arm wird schwer. Ich kann den Trottel nicht mehr heben. Er fühlt sich an wie Blei.
Bitte, lass mich hier keinen Anfall kriegen. Bitte. Lass es mich bis Florida schaffen.
Draußen, am dunklen Horizont, lodern kleine Flammen in die Höhe. Sie sehen aus wie die Feuerbälle über den Raffinerien. Ich versuchemir gerade einzureden, dass sie das auch sind. Aber mein Bauch sagt mir, dass da draußen Feuerriesen brennen, Feuerriesen, die immer größer und stärker werden und

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