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Ohne Ende Leben - Roman

Ohne Ende Leben - Roman

Titel: Ohne Ende Leben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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B-Sweatshirt eilt herbei und umarmt sich dabei wie wahnsinnig. »Umarmt das Positive! Umarmt das Positive!«
    Das Bibliotheksmädchen schaut hoch in die Überwachungskamera an der Decke. Mit boshaftem Grinsen beugt sie sich nach vorn und küsst mich heftig auf die Lippen.
    »Boah«, japse ich.
    »Los, weiter«, sagt sie und zieht mich ins Aufnahmestudio der Radiostation. Sie verriegelt die Tür hinter uns, und für den Bruchteil einer Sekunde schießt mir die verrückte Idee durch den Kopf, dass ich gerade dabei bin, unter den bizarrsten Umständen meine Jungfräulichkeit zu verlieren – durch eine Art sexueller Revolution. Aber das Bibliotheksmädchen schneidet mir nur die Handfesseln auf, lässt mich stehen und geht zum Tonpult. Schalter werden betätigt, Knöpfe gedreht und die Lautstärke wird auf zehn gestellt.
    »Gib mir mal diesen Rucksack vom KIGSNA B-Schrank «, sagt sie.
    Ich bringe ihn ihr und bin vom Kuss immer noch ganz betäubt. Sie zieht ein zerfleddertes Exemplar von
Andersons Anthologie der englischen Literatur
hervor und schlägt das Buch an einer mit einem Lesezeichen markierten Seite auf. Ihre Stimme fliegt durchs Mikrofon hinaus aufs Gelände.
    »Shakespeare, Leute. Verzwickt. Wunderschön. Traurig und voller Gewalt. Und die Sprache ist verdammt schwierig. Lasst euch mit ein bisschen Hamlet umhauen:
    »Sein, oder nicht sein, das ist die Frage:
    Ob’s mehr uns adelt wohl im Geist, die Pfeile
    Und Schleudern wüsten Schicksals stumm zu dulden.
    Oder das Schwert zu ziehn gegen ein Meer der Plagen
    Und im Anrennen enden: sterben   … – schlafen,
    Mehr nicht; und sagen, dass durch einen Schlaf
    Wir’s Herzweh enden und die tausend Lebenshiebe,
    Die unserm Fleisch vererbt sind: ’s ist eine Erfüllung
    Inbrünstig beizuwünschen. Sterben, schlafen,
    Schlafen, womöglich träumen – ja, da hakt’s:
    Denn in dem Schlaf des Tods, welch Träume kommen mögen   –«
    Die Tür erzittert unter Pochen und Hämmern. Eine Axt dringt ins Holz, was mich zu Tode erschreckt, aber das Bibliotheksmädchen presst die Lippen weiter ans Mikro:
    »Wer trüg sein Bündel,
    Auf dass er grunzt und schwitzt im Lebensjoch,
    Wär’s nicht, dass Furcht vor etwas nach dem Tod,
    Das unentdeckte Land, aus dessen Gauen
    Kein Wandrer wiederkehrt, den Willen lähmt,
    Und uns die Übel, die wir haben, lieber tragen
    Lässt, eh wir hin zu Unbekannten fliehn?«
    Mit einem schrecklichen Splittergeräusch fliegt die Tür auf und Ruth stolpert herein. Sie wirft mir, wie ich so neben dem Bibliotheksmädchen stehe, einen Blick zu, und schon beginnt ihre Unterlippe zu beben. »Cameron. Du fügst meiner Glückseligkeit gerade sehr großes Leid zu.«
    Daniel ist direkt hinter ihr und schwenkt eine Taschenlampe. Er spricht in sein Funkgerät. »Roger eins-neun, wir haben einen Ernstfall im Aufnahmestudio.«
    »Roger eins-neun? Ist das nicht ein Code für den Flugverkehr?«, frage ich.
    Er presst die Lippen zusammen. »Es macht mich glücklich, das zu bejahen.«
    Eine Kommandoeinheit erscheint auf der Bildfläche. DieUniformierten sind breitschultrig und – heilige Scheiße! – sie tragen diesmal echte Schusswaffen. Sie packen das Bibliotheksmädchen, das versucht, sich am Mikrofon festzuhalten. Ein Kommandosoldat grapscht sich die riesige Anthologie und schlägt ihr damit auf die Hände, bis sie, vor Schmerzen brüllend, loslässt.
    »Was macht ihr hier?«, schreie ich und renne auf sie zu.
    Daniel nimmt eine Waffe aus dem Pistolenhalfter eines Kommandosoldaten und richtet sie auf mich. »Glückseligkeit. Unter allen Umständen.«
    Er fuchtelt mit der Pistole vor meiner Nase herum, drückt mir die Mündung fest gegen den Schädel, und der Raum verschwimmt vor meinen Augen.

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
    In welchem der Glückseligkeit einiger Leute in den Arsch getreten wird und Gonzo und ich die Fliege machen
     
    Ohnmächtig werden ist gar nicht so schlimm, wirklich nicht. Alles in allem ist es wesentlich erfreulicher, als, sagen wir, einen Familiengeburtstag in einem mittelalterlichen Themenrestaurant zu feiern oder so zu tun, als ob du dich um deinen Notendurchschnitt bemühst. Im bewusstlosen Zustand schwebe ich hinaus in ein schwarzes Universum, wo Sterne elektrischen Christbaumkerzen zuzwinkern, und lasse die Buddhakuh links liegen, die gerade einen Huf zum Zengruß hebt. Ich fühle mich wie in einer coolen Geisterbahn, die an Roboterwesen vorübertuckert: Mom und Dad sitzen in der Krankenhauscafeteria und schweigen sich über

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