Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Titel: Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hyun
Vom Netzwerk:
Amok laufen und mit dem Löschmittel Leute besprühen.
    Die Universitätszeit ist für viele auch die Phase des Aufbruchs in die Erwachsenenwelt und des Schleifens am eigenen Charakter. Partys fanden an fast allen Tagen »24/7« statt. Amerikanisches Bier floss in Strömen. Die Liste der Trinkspiele war endlos. Besonders populär war das »Beer Pong«, bei dem Ping-Pong-Bälle in mit Bier gefüllten Plastikbechern versenkt wurden. Der Verlierer musste den jeweiligen Becher in einem Zug austrinken. Oder aber »Beer Hunter«, bei dem es ähnlich zugeht wie beim russischen Roulette, nur mit einem meist glimpflicheren Ende: In einem Bierkasten wird eine Flasche versteckt, die heftig durchgeschüttelt wurde. Jeder nimmt sich eine Flasche heraus und muss sie zeitgleich mit den anderen vor dem eigenen Gesicht öffnen. Ein anderes Spiel, das sich großer Beliebtheit erfreute, bestand darin, während eines Handstandes von einem Bierfass, in dem ein Schlauch befestigt war, zu trinken. Ich hielt mich von derartigen Spielen fern, hörte allerdings, dass Woody eine aussichtsreiche Zukunft als Beer-Pong-Spieler habe, sofern es irgendwann einmal eine amerikanische Profiliga dafür gäbe.
    Jedenfalls häuften sich die Besuche weiblicher Gäste in unserem Zimmer, die Woody nach seinen Triumphzügen im Beer-Pong mitbrachte, so wie manche Rockstars mit ihren Groupies nach einem Konzert im Hotelzimmer verschwinden. Sein Aktienkurs schoss bei den Frauen steil nach oben. Woody schien so krisensicher wie ein Investment in Gold. Mit der nächtlichen Geschlechtertrennung nahm es Woody nicht allzu ernst. Woodys Beer-Pong-Eroberungen blieben gleich über Nacht und störten sich nicht daran, dass ich im Zimmer war. Es ging zu wie bei den Affen im Urwald: Die sportlichen Betätigungen mit seinen Gästen und deren Kampfgeschreie versuchte Woody zwecklos, mit lauter Musik der Dave Matthews Band zu übertönen. Guns N’ Roses hätten das mit Leichtigkeit geschafft, doch einer Dave Matthews Band gelang es trotz voller Volumenstärke nicht. Zumindest das sprach für meinen vorzüglichen Musikgeschmack.
    Eines Samstagabends nach fast zwei Jahren Wohngemeinschaft sprach Woody mich an, was er während unserer gemeinsamen Zeit noch nie getan hatte. Als ich mich gerade auf den Weg zur Dusche begeben wollte, fragte er mich, ob ich am Abend etwas vorhätte. Ich war überrascht, aber erfreut, und dachte, Woody wolle nun endlich Freundschaft mit mir schließen. Ich antwortete ihm, dass ich nichts vorhätte. Woody meinte daraufhin nur, dann wisse er ja Bescheid. Ich verließ das Zimmer und ging zur Dusche. Als ich zurückkam, stand ich vor einer verschlossenen Tür. Ich klopfte, ich rief. Es half nichts. Woody öffnete die Tür nicht. Ich wollte sie schon einrammen, da ich Schlimmes befürchtete. Vielleicht ist Woody der ganze Erfolg als Beer-Pong-Allstar zu Kopf gestiegen, dachte ich mir, und nun ist er manisch depressiv geworden! Ich nahm Anlauf, bis ich plötzlich aus dem Zimmer die Musik der Dave Matthews Band und eindeutige Geräusche hörte. Da wusste ich, dass Woody mal wieder in seinem Element war.
    Der Spuk mit der Dave Matthews Band nahm im dritten Jahr ein Ende, als ich meinen Zimmergenossen selbst aussuchen durfte. Mein Mitbewohner wurde der Serbe Uros. Wir wurden auf Anhieb Freunde, auch wenn ich mir immer seine melancholische serbische Musik anhören musste, die mir aber doch viel lieber war als die der Dave Matthews Band.
    Nach meinem Abschluss im Mai 2003 ging es wieder zurück nach Deutschland, weit weg von der Dave Matthews Band. In Amerika füllen sie ganze Footballstadien, gewannen zwei Grammys und verkauften über 40 Millionen Studioalben. Ich war ziemlich froh darüber, dass man von den Erfolgen der Band in Deutschland noch nicht viel mitbekommen hatte. Doch eines schönen Tages entdeckte ich an den Werbewänden des U-Bahnhofes Hallesches Tor ein Tourplakat. Die Dave Matthews Band kündigte ein Konzert im Tempodrom an. Ich versuchte, so viele Plakate wie nur möglich zu übermalen. Das gebe ich zu. Aber mit der Anti-Dave-Matthews-Band-Seite auf Facebook habe ich nichts zu tun – ich schwöre!

DIPLOMATIE UND DEUTSCHE FÜHRUNGSKRÄFTE
    A uf die Diplomatie als mögliches Berufsziel hatte mich Vater schon von Kindesbeinen an vorbereitet. Mein Vater war viel mehr als nur ein Bergarbeiter. Er war mein Trainer, Lehrer, Bundeswehrausbilder, Musik- und Literaturkritiker und natürlich mein Henker und Richter zugleich. Besonders an Tagen, an

Weitere Kostenlose Bücher