Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
denen mich einheimische Freunde besuchten, wurde meine diplomatische Sensibilität geschult. Mutter pflegt zu sagen, für Vater sei nicht einmal Gott gut genug, um ihn zufriedenzustellen. Das bekamen nicht nur ich, sondern vor allem auch meine deutschen Freunde zu spüren. Vater wollte sichergehen, dass ich mich mit guten Freunden umgab und nicht auf dumme Gedanken kam.
»Ich möchte nicht, dass dieser Bastard zu uns nach Hause kommt! Hast du verstanden!«, sagte Vater. Auf Koreanisch hört sich das so an: »Gae-seki-rang nolchi ma, arachi!« Meine Freunde fragten dann, was mein Vater gesagt habe. Ich antworte ihnen dann meist: »Du bist ein netter Junge und darfst uns regelmäßig besuchen kommen!« Danach hatten meine Freunde die dumme Angewohnheit, meinen Vater anzulächeln und dabei mit ihrem Kopf zu nicken. Mein Vater erwiderte natürlich das Nicken. Das ist Diplomatie – die Kunst, beide Seiten zufriedenzustellen.
»Ist das alles an Freunden, was du vorweisen kannst? Das ist wirklich erbärmlich!«, sagte Vater auch gerne. Daraus wurde dann: »Du bist ein guter Freund und sehr gut erzogen!«
So war es nicht verwunderlich, dass ich mich für eine diplomatische Laufbahn interessierte. Also recherchierte ich und wurde beim Büro Führungskräfte zu Internationalen Organisationen, kurz BFIO, fündig.
In der Einleitung des Handbuches des BFIO, die ich mir durchlas, war zu lesen: »Vier Buchstaben, mit denen deutsche Bewerber, die in Internationalen Organisationen tätig werden möchten, ihrem Berufsziel ein Stück näher kommen können.« Das ist die richtige Organisation, dachte ich mir. Vier Buchstaben, mit denen ich mein erlerntes Wissen zum Wohle der deutschen Gemeinschaft im diplomatischen Alltag erproben konnte. Die Aufgabe des BFIO liegt einzig darin, möglichst viele deutsche Nachwuchsführungskräfte in eine der rund 200 internationalen Organisationen zu integrieren. Die Deutschen, meine Landsleute, machen keine halben Sachen. So hatte man 1.600 Deutsche erfolgreich in internationalen Organisationen untergebracht. Unter den insgesamt 20.566 Mitarbeitern arbeiten nahezu 900 Deutsche im höheren Dienst der Vereinten Nationen. Bei der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) sind über 200 Stellen mit Deutschen besetzt.
Die UNO bekam es langsam mit der Angst zu tun. Sie vermuteten eine groß angelegte Offensive der Deutschen, die sich auf legale Art und Weise ihren »Lebensraum« vergrößern wollten. Zwar gehört Deutschland zu der Gruppe der größten Beitragszahler für den Haushalt der UNO, doch der energische Anspruch, einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat zu bekommen, war dann Indiz genug, um der Vermutung Glauben zu schenken.
Von 2006 bis 2011 war es deutschen Staatsbürgern deshalb nicht gestattet, an einem Nachwuchsexamen der UNO teilzunehmen. Offiziell ließ man verlauten, der Anteil des deutschen Personals sei ausgeschöpft. Doch hinter vorgehaltener Hand fürchtete man den Einzug der deutschen Gründlichkeit und den notorischen Hang, alles Erlebte detailliert für die Nachwelt zu erfassen.
Aus diesen Gründen war es nicht mehr möglich, sich durch eigene Leistung für eine Stelle bei der UNO zu empfehlen. Man war auf die Gnade des BFIO angewiesen. Also bewarb ich mich auf eine Stelle bei der UNO im Bereich Sport und Entwicklung, dessen Leiter kein Geringerer als der Ex-Werder-Bremen-Funktionär Willi Lemke ist. Und so kam es, dass ich zu einem Bewerbungsgespräch nach Bonn eingeladen wurde. Ein Tribunal von vier Personen saß mir gegenüber, die sich als Allmächtige des Auswärtigen Amtes, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit und des BFIO vorstellten. Das Gespräch verlief so weit ganz gut, bis der Mann vom Auswärtigen Amt die Loyalitätsfrage stellte: »In Ihrem Lebenslauf steht sehr viel über Korea. Sie haben sich aber für eine deutsche Stelle beworben. Wie steht es mit Ihrer Loyalität?«, fragte mich der Mann vom Auswärtigen Amt. Ich verteidigte mich damit, dass ich deutscher Staatsbürger sei. Mehr hatte ich nicht zu sagen. Ab dem Zeitpunkt war mir klar, dass es mit der Stelle nichts werden würde. Ich verließ das Gespräch und die Geburtsstadt Beethovens mit einem schlechten Gefühl. Das Gefühl trog mich nicht. Einige Tage später erhielt ich die Absage per E-Mail. Wie ich später herausfand, hatte man sich für eine einheimische Person entschieden, die Sportwissenschaften
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