Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Titel: Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hyun
Vom Netzwerk:
immer beide Augen zu. Einmal sagte er zu mir: »Ein Mann ohne Freunde ist so dünn wie ein Holzstrich in der Steppe, aber einer mit Freunden so groß wie die Steppe selbst.«
    Wenn es uns nicht gelang, uns in die Mensa einzuschleusen, dann musste Fertignahrung herhalten. Ich ernährte mich häufig von koreanischen Instantnudeln und Kellog’s Smacks. Es gab Tage, da ernährte sich Azar ausschließlich von Donuts und Kuchen. Ein Freund aus Aserbaidschan arbeitete im Dunkin’ Donuts, und die am Abend nicht verkauften Gebäckkringel wurden aus dem Regal entfernt. Er machte uns immer riesige Tüten fertig, die wir uns nach Ladenschluss abholten. Dabei wurde alles heimlich abgewickelt, wie in einem Gangsterfilm. Seitdem kann ich keine Donuts mehr sehen und mache einen großen Bogen um jede Dunkin’-Donuts-Filiale, obwohl ich der Firma einiges verdanke.Falls Azar und ich jung sterben sollten, dann wohl wegen der schlechten Ernährung während unserer Studienzeit.
    Ich bin meinen Freunden bis heute dankbar, auch wenn sie mir ab und an beim Abwaschdienst während meiner Studienzeit in New York die Teller extra schmutzig machten und mir damit zusätzliche Arbeit bereiteten. Sie haben mir geholfen, diese schwierige Zeit zu überbrücken, in der ich in ständiger Furcht lebte, von der Universität zu fliegen. Und auch meiner Universität in Vermont bin ich dankbar, dass sie mir durch ein Teilstipendium dieses Studium ermöglichten. Seit der Abschlusszeremonie in Canterbury im Frühjahr 2005 warte ich darauf, mein hart erarbeitetes Wissen in meiner Heimat Deutschland als Bildungsausländer zum Einsatz zu bringen. Ich gebe mein Wort: Wenn ich erst einmal in Amt und Würden bin, werde ich auch keinen Unsinn treiben.
    In Deutschland wird die Zahl der Bildungsausländer, deren Abschluss nicht anerkannt wird, auf 300.000 geschätzt. Um ein Haar wären es 300.001 geworden. Eine Dame vom Bundesverwaltungsamt rief mich wegen meiner Bewerbung als Referent im Bundeskriminalamt an. Sie sagte mir, dass ich für die weitere Berücksichtigung meiner Bewerbung nachträglich eine bundesdeutsche amtliche Bescheinigung einreichen müsse, in der die Gleichwertigkeit meines ausländischen Universitätsabschlusses mit dem eines in Deutschland erworbenen festgestellt wird. In der Datenbank über die Anerkennung und Bewertung ausländischer Bildungsnachweise sei der Masterabschluss an der britischen University of Kent at Canterbury leider nicht verzeichnet.
    Die Dame schien gestresst. Sie ließ mich nicht zu Wort kommen. Ich wollte ihr erklären, dass die University of Kent at Canterbury eine international anerkannte Universität und mit H+ vermerkt sei und man sie in der Datenbank sehr wohl finde müsse. Sie ließ alles an sich abprallen und wunderte sich lauthals darüber, wie ich mit meinen Abschlüssen im Bundestag hatte tätig werden können.
    Ich bin ein geduldiger Mensch. Geduld gehört zur zweiten Lektion, die man in »meinem Land« als Deutscher mit ausländischen Wurzeln lernt. Dass Koreaner, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, aber auch auf den Tisch hauen können, zeigte ich der Dame, indem ich laut »Hören Sie mir doch mal zu!« in den Telefonhörer rief. »Haben Sie mal etwas von dem Äquivalenzabkommen oder dem Lissaboner Anerkennungsübereinkommen gehört? Deutschland hat auch mit England ein Abkommen geschlossen über die gegenseitige Anerkennung von Hochschulabschlüssen!«
    »Besorgen Sie mir die Bescheinigung!«, erwiderte die Dame sichtlich unbeeindruckt und legte auf.
    Eine Stunde später rief mich die Dame erneut an. Ihre Stimme klang ganz anders – freundlich und höflich. Sie habe mit dem Büro der Kultusministerkonferenz gesprochen und herausgefunden, dass mein Masterdiplom von der englischen Universität anerkannt sei.
    »Das habe ich Ihnen doch die ganze Zeit versucht zu erklären!«, entgegnete ich ihr.
    »Jedenfalls wollte ich mich dafür entschuldigen«, sagte die Dame.
    »Ich werde Ihren Chef informieren!«, erwiderte ich. »Nicht aber, weil Sie versucht haben, mir das Leben schwerzumachen, sondern wegen der grauen Haare, die mir durch das Gespräch mit Ihnen gewachsen sind!« Diesen Satz aber bekam die Dame gar nicht mit, weil sie mir wieder ins Wort fiel. Vielleicht hatte ein Praktikant ihren Kaffee zu stark gekocht, ein Anfängerfehler, der passiert, oder aber sie hatte beim Beamtenmikado den Kürzeren gezogen. »Ihr armer Mann!«, seufzte ich in den Hörer.
    »Bitte tun Sie das nicht!«, flehte die

Weitere Kostenlose Bücher