Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
sogar 24 Prozent.
Dann kam sie endlich auf die Koreaner in Deutschland zu sprechen: Ihren Angaben zufolge sind etwa 53 Prozent der Koreaner ohne Berufsausbildung, 15,3 Prozent mit Berufsausbildung und 29,3 Prozent der Akademiker arbeitslos. Eine Erklärung dafür, warum hochqualifizierte Migranten im Gegensatz zu den einheimischen Deutschen bei der Einstellung benachteiligt würden, seien die fehlenden Netzwerkressourcen bei der Suche.
Bei dieser Aussage konnte ich nicht mehr stillhalten. Ich fragte sie, welche Netzwerke denn die richtigen seien, und erklärte ihr, dass ich trotz meiner Mitgliedschaft in zahlreichen Online-Netzwerken wie Elitepartner, Singles mit Niveau, Partnersuche, die erste Adresse für Akademiker, und Friendsscout24 keinen Erfolg verbuchen konnte bei dem Versuch, mich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. »Was mache ich bloß falsch?«, fragte ich die Referentin.
Aus diesem Seminar nahm ich neue Erkenntnisse mit nach Hause. Vor allem jene, über lange Zeit wertvolle Energie in die falschen Netzwerke gesteckt zu haben.
MIGRANTENKREISLAUF UND GOTT IST AUF UNSERER SEITE
K urz vor dem 1. Mai wirft der Armeeladen an der Revaler Straße solche Umsätze ab, dass der Besitzer sich für den Rest des Jahres auf die faule Haut legen kann. Er muss ein Finanzgenie sein, ein noch größeres als Warren Buffett oder P. Diddy. Wer kann schon von sich behaupten, mit Tarnanzügen und Sturmmasken in solch kurzer Zeit derartige Renditen abzuwerfen.
Wer sich fragt, wo nach der Finanzkrise die vielen Aktienhändler und Hedge-Fondsmanager geblieben sind, wird an den Berliner S- und U-Bahnhöfen fündig. Dort verkaufen sie benutzte Fahrscheine weiter, die sie zuvor von Fahrgästen erbettelt haben. Nachdem man astronomische Summen in den Sand gesetzt hat, ist man zu den Wurzeln zurückgekehrt. Designerschlips und sündhaft teure Maßanzüge wurden an den Nagel gehängt und gegen Jeans und T-Shirt von der Kleiderkammer eingetauscht. Die Krise hat es noch einmal verdeutlicht, dass sich hinter einem Anzug nicht automatisch ein guter Mensch verbirgt. Von der unüberschaubaren virtuellen Welt der Transaktionen ist der Kosmos der einstigen Spekulanten auf einen überschaubaren realen Ort mit minimalen Profitmargen geschrumpft. Doch einige schwarze Schafe können es nicht lassen und versuchen, gefälschte Tickets mit hundertprozentigem Gewinn an den Mann zu bringen. Doch auch das wird irgendwann bestraft.
Als die Mauer das Zeitliche segnete, waren es noch die Russen, die am Brandenburger Tor oder am Alexanderplatz Relikte aus dem Kalten Krieg und der roten Sowjetarmee verkauften. Doch mit dem Reichtum an Bodenschätzen in ihrer einstigen Heimat stieg auch ihr Wohlstand. Die einstigen russischen Straßenhändler sind im Migrantenzyklus kometenhaft aufgestiegen. Die Straßen wurden samt russischem Inventar den Indern und Pakistanern überlassen. Stattdessen schlürfen die Russen nun genüsslich ihren Champagner im Adlon, sinnieren melancholisch über die alten Zeiten, wie sie sich am Brandenburger Tor einst die Füße plattstanden, essen Kaviar zu allen drei Mahlzeiten, schmücken sich mit attraktiven Statussymbolen und kleiden sich mit sündhaft teuren Produkten des Kapitalismus ein.
Nach Auflösung des Eisernen Vorhangs hat sich nicht nur die Weltordnung verändert, sondern auch die Paradigmen vieler einheimischer Gesellschaften. Der Fluch demographischer Wandel hängt über fast allen alternden europäischen Ländern. Für sie wird die Welt nie mehr so sein, wie sie einmal war – geordnet, langsam und übersichtlich. Vor zwei Jahrzehnten noch holte ich meine Brötchen beim deutschen Bäcker, die Pizza beim Italiener, und meine Haare ließ ich von einem deutschen Friseur schneiden. Mein Friseur und mein Bäcker gingen vor einigen Jahren in den wohlverdienten Ruhestand. Die Läden wurden an türkische Geschäftsleute verkauft. Meinen italienischen Pizzabäcker packte das Heimweh. Er eilte nach bella Italia zurück. Erst zog ein Gyros-Pita-Laden ein. Nun ist dort ein indisches Lebensmittelgeschäft beheimatet. Brötchen und Pizza hole ich beim Türken nebenan, meinen Kaffee beim kamerunschen Kiosk und das chinesische Essen beim Vietnamesen meines Vertrauens.
Der Wandel begann mit der Ankunft des ersten Gastarbeiters im Lande. Nur die Zukunft wollte sich die junge Republik nicht vor Augen halten. Wer sich fragt, was mit den vielen Koffern passiert ist, mit denen die Gastarbeiter nach Deutschland kamen, sollte den
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