Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
SK-Berlin-Shop an der Eberswalder Straße im Prenzlauer Berg aufsuchen. Dort sind die Koffer vor dem Laden meterhoch aufgestapelt. Beim Anblick dieses Kofferberges bekommt ein jeder die Gewissheit, dass die einstigen Gastarbeiter das Land nie mehr verlassen werden. Und so stauben die Koffer vor sich hin und hüten den Laden.
Einige Bereiche aber geben die Einheimischen nicht kampflos auf. Etwa beim Kulinarischen. Bei mir um die Ecke hat ein Imbiss eröffnet, in dem sich alles um die Kartoffel dreht. Müde wird der Kiosk von meinem türkischen Pizzabäcker, meinem Hamburger-Verkäufer aus dem Nahen Osten, dem ghanaischen Imbissbetreiber und den Döner-Kebab-Ladenbesitzern ringsherum belächelt. Denn sie wissen, dass sie in der Gastronomie noch immer über den Exotenbonus verfügen. Lange Zeit ist die deutsche Küche nicht über Wurst und Sauerkraut hinausgewachsen. Dafür waren die Gastarbeiter da. Auch hier sollten sie in Akkordarbeit beim Aufbau helfen, sich die Hände mit Bratfett schmutzig machen und die Versorgungslücke schließen. Der Döner hat der Currywurst schon lange den Rang abgelaufen.
Viele Einheimische wendeten sich von ihrer heimatlichen Küche ab und den Kochkünsten der Gastarbeiter zu, die ihr Heimweh und ihre Sehnsucht in lukullische Köstlichkeiten verarbeiteten und den Einheimischen mit Liebe servierten. Läden wie »Karteufel« sind der Beweis dafür, dass die einheimischen Gastronomen nun nach jahrzehntelanger kulinarischer Industriespionage um eine Aufwertung der deutschen Küche bemüht sind und keine Mühen scheuen, um den Anschluss zu finden. Doch auch die ausländischen Restaurants entwickeln sich weiter. So bietet mein Kebab-Laden neuerdings nicht nur Kebabs, sondern auch gebratene Nudeln mit Hühnerfleisch an. Und auch die Spätaussiedler wollen im Kampf über die kulinarische Hegemonialmacht nicht hintanstehen. Sie fühlen sich unterfordert, wenn sie mit ihren Ingenieurdiplomen die Toiletten der Republik säubern und Taxi fahren, und wie die Araber haben auch sie eine besondere Affinität zu Hamburgern entwickelt, als wollte man sich an der Weltmacht Amerika rächen.
Aus purer Nostalgie verirren sich ab und an die ehemaligen Gastarbeiter der ersten Stunde in die Imbisse und Restaurants mit germanischer Küche. Erst kürzlich wurde ich am Hermannplatz in Neukölln Zeuge davon, wie eine türkische Frau mit Kopftuch hastig einen Kartoffelpuffer verschlang, als hätte sie Angst davor, von ihren Landsleuten dabei erwischt zu werden.
Als ich meinen Freund Matthias im Café Schwarzsauer im Prenzlauer Berg traf, prangte nahe der Eberswalder Straße ein Schild vor einem Friseurladen mit der Aufschrift: »Billig kann jeder, schneiden muss gelernt sein«. Eine Kampfansage deutscher Inhaber, die sich gegen die zunehmende Vermehrung der türkischen Edwards mit den Scherenhänden in ihrer Branche wehrten, die den Haarschnitt zu Dumpingpreisen anbieten. Die wenigen Salons, die noch in deutschen Händen sind, stehen unter immensem Druck, dem Geiz-ist-Geil-Preis-kampf standzuhalten. In Berlin ist die Auswahl an Friseuren jeglicher Qualität einfach zu groß. Die Suche nach einem guten Friseur kostete mich viele Haare, Schweiß und Blut. Bei einem Discounter schnitt mir die türkischstämmige Friseurin fast ein Stück vom Ohr ab und entschuldigte sich erst, als das Blut in alle Himmelsrichtungen hinausquoll. »Upps! Tut mir leid! Passiert im Eifer des Gefechts!«, murmelte sie kurz und knapp. Anderswo wurde meine Kopfhaut fast verbrannt. Fündig wurde ich erst bei meinem allerletzten Versuch, einen geeigneten Friseur auszumachen, bei dem man nicht 60 Prozent für den Namen und 40 für die Leistung bezahlt. Eine dank des Jobcenters Friedrichshain-Kreuzberg umgeschulte Hundezüchterin sollte es werden. Sie ist ein Musterbeispiel für die gelungene Investition von Steuergeldern, begnadet im Umgang mit der Schere und tatsächlich so talentiert wie Edward mit den Scherenhänden. Bei ihr fühle ich mich gut aufgehoben. Ihr Ratschlag, einen Hundehalter-Verein für Menschen mit Migrationshintergrund zu gründen, beschäftigt mich noch heute. Die Menschen sollen mit eigenen Augen sehen, dass wir gute Führungskräfte sind.
Mit dem Beginn der Globalisierung ist die Welt der einheimischen Gesellschaften aus den Fugen geraten. Die Schere zwischen Arm und Reich wird größer. Es gibt kaum noch Marktlücken, die nicht schon von multinationalen Unternehmen besetzt sind. Dennoch sind alle auf Migration angewiesen,
Weitere Kostenlose Bücher