Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
interessiert. Es war an der Zeit, Sühne zu leisten für die vielen Vierbeiner, die von meinen Landsleuten verkostet wurden.
Als ich von einem Spaziergang am Treptower Park nach Hause ging und über die nicht erhaltenen Chancen in meinem Leben nachdachte, strahlte mich von der Litfasssäule ein Riesenplakat an wie Dutzende Scheinwerfer. Ich erkannte ein glückliches Gesicht und daneben einen freudestrahlenden Hund. Das Gesicht gehörte zu niemand Geringerem als Deutschlands berühmtestem Hundetrainer Martin Rütter. Der Hundetrainer hat mit der Erziehung von schwer dressierbaren und traumatisierten Hunden ein Vermögen verdient. Auftritte in ausverkauften Sportarenen sind keine Seltenheit. Sein Gesicht ziert Werbeplakate und Prospekte sämtlicher Hundefutterhersteller. Er ist ein prominenter Talkshowgast in Funk und Fernsehen, hat seine eigene Fernsehshow, und sogar ein chinesischer Buchverlag kam auf Rütter zu, weil sie dessen Handbuch für artgerechte Hundehaltung ins Chinesische übersetzen wollen.
Wann werden die Menschen endlich verstehen, dass ich ein Pescetarier bin, der nur Tierarten verspeist, in denen keinerlei Hunderasse vorkommt. Ich stelle mir vor, wie ich mit unserer glücklichen Collie-Hündin im Gepäck in Talkshows locker aus dem Nähkästchen über ihre Erziehung und Pflege plaudere, Werbung für die Tierschutzorganisation PETA mache, je nachdem auch nackt, und mein zufriedenes asiatisches Gesicht auf sämtlichen Hundeprodukten mit Qualitätssiegel »sehr empfehlenswert!« abgedruckt wird. Du wirst vielleicht sagen, ich sei ein Träumer. Aber ich bin nicht der einzige – Asiate. Ich hoffe, eines Tages wirst auch »du« einer von uns sein und die ganze Welt wird eins, so, wie Yoko Ono und John Lennon es einst waren.
Ich wendete mich von dem Plakat ab und ging weiter. Dabei dachte ich im Stillen darüber nach, wie meine Karriere verlaufen wäre, wenn ich an Martin Rütters Stelle wäre. Ein Lächeln trat auf mein Gesicht.
FALSCHE NETZWERKE
M it Ihrem Lebenslauf dürften Sie doch keinerlei Probleme haben, irgendwo unterzukommen!« Diesen Satz bekam ich oft zu hören, wenn ich über meine missglückten Bewerbungen erzählte.
»Schade, dass Sie nicht Personalleiter eines finanzkräftigen Unternehmens sind. Vielleicht hätte ich bei Ihnen bessere Karten!«, antworte ich dann meist.
Menschen, die detaillierter über meinen Lebenslauf Bescheid wissen wollen, gebe ich gerne Auskunft unter der Voraussetzung, dass vorab eine gewisse Vertrauensbasis geschaffen wurde, was durch koreanischen Soju und spanischen Rotwein beschleunigt werden kann. Im Schnelldurchlauf gebe ich die wichtigsten Daten durch: Politikstudium in den USA und in Belgien, Praktika mit Stationen in Brüssel und Seoul. Sprachkenntnisse? Dabei hebe ich besonders hervor, dass meine Muttersprache Deutsch und nicht Koreanisch ist. Zudem erzähle ich, dass ich über Französischkenntnisse aus der Schule verfüge und Englisch dank meines Studiums »nahezu fließend« beherrsche. So gab ich das auch immer brav in meinem Lebenslauf an.
Mein Lebenslauf weist Lücken auf, gerade was die berufliche Tätigkeit anbelangt. Daraus ersichtlich ist zudem mein mehrfacher Arbeitsplatzwechsel, was sich aber in der Generation Praktikum nicht vermeiden ließ.
Bei einem Seminar über die Lebenswelten deutsch-koreanischer Migranten, aus dem ich mir neue Erkenntnisse erhoffte, nahm auch die Leiterin der Arbeitsgruppe Migration und Integration des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung teil. Sie erzählte, dass sie für ihren Vortrag ihre Kollegen befragt hatte, ob sie irgendetwas über die Koreaner in Deutschland wüssten. Die Antwort war ein kollektives Nein. Dennoch habe sie sich Mühe gegeben, die Koreaner statistisch zu erfassen, erklärte die Frau. Dass die Arbeitslosenquote bei hochqualifizierten Migranten fast dreimal höher ist als bei den Einheimischen, war keine neue Erkenntnis für mich. Die Benachteiligung liege möglicherweise in der fehlenden Sprachkompetenz und in mangelnder Qualifikation begründet, versuchte sie zu erklären. Sie berichtete von einem Testingverfahren der Universität Konstanz, bei dem zwei identische Bewerbungen für Praktikumsstellen an Betriebe verschickt wurden. Dabei wurde eine Bewerbung mit einem einheimisch klingenden Namen versehen und eine mit einem ausländischen. Der vermeintlich einheimische Bewerber bekam 14 Prozent mehr Rückrufe als jener mit Migrationshintergrund. Bei kleineren Betrieben waren es
Weitere Kostenlose Bücher