Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
um Populationsschwund, Arbeitskräftemangel und somit eine demographische Krise abzuwenden. Korea hat mit rund acht Millionen im Ausland lebenden Koreanern eine der größten Diasporen der Welt. Sogenannte »Auswandererkoffer (Imin-Gabang)« sind eine Erfindung koreanischer Geschäftsleute. Rund 16 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, und die Kofferindustrie denkt darüber nach, speziell für diese Zielgruppe handliche Reisetrolleys zu konzipieren. So schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe. Man sichert sich als Pionier einen großen Marktanteil, und man macht die Flucht der Menschen komfortabler – flüchten mit Stil. Ein möglicher Werbeslogan könnte heißen: »Sind Sie ein Flüchtling? Dann flüchten Sie mit dem Trolley Light, mit dem sie unter jeden LKW passen.«
Und irgendwie scheint mir in dieser Welt trotz Wandel und Aufbruch noch immer alles beim Alten zu sein – business as usual. Das dicke Geld machen die Migranten noch immer nicht mit sich selbst – so, wie die Afrikaner es nicht mit ihren eigenen Diamanten machen. Immer noch sind sie ein Produkt und dem Geschäftsgebaren einiger weniger unterworfen, die aus der Integration eine milliardenschwere Industriemaschinerie geschaffen haben. Doch dieses Mal haben wir Migranten die Zeit und den demographischen Wandelgott auf unserer Seite.
KRIMINELLE TOURISTEN
D ie türkischen Gastarbeiter waren ein Segen für den Unternehmer Vural Öger. Durch die Rückbeförderung seiner Landsleute in die Heimat wurde Öger mehrfacher Millionär. Bereits in den Sechzigerjahren gründete er das »Reisebüro Istanbul« und bot die ersten Direktflüge von Hamburg in die Türkei an. Unter den Koreanern, die als Gastarbeiter nach Deutschland kamen, gab es keinen Vural Öger. Die Reisebüros deutscher Unternehmer machten das dicke Geschäft mit den Koreanern. Für ein Flugticket in die Heimat ging ein ganzes Monatsgehalt drauf. Erst später, als die Koreaner wegen der Globalisierung nicht mehr willkommen auf dem Arbeitsmarkt waren, machten sich manche von ihnen mit Reisebüros selbstständig. So wirklich reich, außer im Herzen, wurde keiner damit.
Es ist allgemein bekannt, dass ein nichteuropäischer Migrationshintergrund ein Nachteil in der Arbeitswelt ist. Denn bei gleicher Qualifikation, Eignung und Leistung wie Einheimische müssen sich jene mit Migrationshintergrund auf dieselbe Stelle bis zu viermal öfter bewerben. Obwohl über 450 Firmen die Charta der Vielfalt unterzeichneten, um für mehr Vielfalt in ihren Unternehmen zu sorgen, brachte das nicht den erhofften Durchbruch. Es hatte nicht mehr als einen symbolischen Wert. Bei Personalentscheidungen kann man sich immer noch nicht so recht mit dem Multikultigedanken und der Führungskraft mit Migrationshintergrund anfreunden. Aufstieg hängt noch immer stark von der Herkunft der Eltern ab. So grübelten die Politiker weiter, wie man den Menschen mit Migrationshintergrund bei der strukturellen Integration in die Arbeitswelt helfen könnte. Wofür sind sie prädestiniert?, fragte man sich.
Schließlich erinnerte man sich an Vural Öger, wie er damals seine Landsleute in Scharen in die Türkei zurückbeförderte und der Regierung die eine oder andere Rückkehrprämie ersparte. 2001 wurde Öger mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Er hat sich um das Land verdient gemacht.
So kamen einige Politiker auf die Idee, einen Antrag an die Bundesregierung zu stellen, den Anteil von Migranten in der Tourismusbranche zu erhöhen und Ausbildungsplätze in der Branche vermehrt mit Migranten zu besetzen. Ihre Begründung klang nüchtern: »Eine bessere Nutzung der Potenziale in Deutschland lebender Migranten kann dazu beitragen, die Arbeitslosigkeit in dieser Bevölkerungsgruppe zu senken. Besonders gute Chancen ergeben sich dafür im Tourismus, da sie aufgrund ihrer Herkunft mit den Vorstellungen und Wünschen deutscher Reisender sowie den Rahmenbedingungen und der Kultur im jeweiligen Zielland vertraut sind.« Zudem haben die Politiker bereits konkrete Vorstellungen, in welchen Bereichen sie arbeiten sollten: »Geeignete Arbeitsgebiete sind dabei z.B. die Planung von Land-und-Leute-Programmen oder die Erarbeitung von Kultur- und Naturerlebnisreisen, die Durchführung solcher Reisen, die Reiseleitung, die Kundenbetreuung sowie auch Verhandlungen mit Geschäftspartnern der Zielländer.«
Ich bin stolz auf so viel Aufmerksamkeit, fast schon peinlich berührt, wie liebevoll man sich Gedanken über unsere berufliche
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