Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
verbales Waterboarding an. Unter massivem Druck und stundenlangen Verhören werden so lange Fragen gestellt, bis die gewünschte Antwort ertönt.
Der Dschihad der Ausländerbehörden weist große Erfolge vor, so lagen 1992 die Asylanträge noch bei rund 400.000, 2006 nur noch bei 20.000. Um ihre Effizienz weiter zu steigern, bieten manche Ämter des Terrors neuerdings anonyme Kundenumfragen an. Ich kann mir gut vorstellen, wie die Fragen aussehen: »Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem persönlichen Terroristen? Bitte kreuzen Sie Zutreffendes an – sehr zufrieden, mittelmäßig, nicht zufrieden. Oder: Würden Sie uns weiterempfehlen? Nein, Ja, Ich muss noch Erfahrungen sammeln.«
Der 11. September hat in diesem Land vieles verändert. Mein Bekannter Mehmet Ata kann davon Geschichten erzählen. Sowohl bei Inlands- als auch bei Auslandsflügen wurde Mehmet unter Terrorverdacht aus dem Flugzeug geholt und den örtlichen Behörden vorgeführt. Doch jedes Mal konnte er die beunruhigten Beamten davon überzeugen, keinerlei terroristische Pläne zu hegen. Es störte ihn auch nicht, dass er den Beamten seinen Jahresplan detailliert darlegen musste. Die Beamten wollten auf Nummer sicher gehen, dass er überhaupt Pläne habe, die über den heutigen Tag hinausgehen.
Verständnisvoll erklärte er den Beamten, sein Nachname möge zwar ähnlich klingen wie der des Terroristen vom 11. September, mit dem feinen Unterschied, dass seiner mit nur einem »t« geschrieben werde. Das Einzige, was er sich habe zuschulden kommen lassen im Leben, sei der Verkauf seiner Tupperwaren-Sammlung auf Ebay während seiner Studienzeit. Er war jung und brauchte das Geld, erklärte Mehmet den Beamten.
Wenn Mehmet einheimische Deutsche kennenlernt, verteidigt er seine Person, sofort nachdem er sich vorgestellt hat, grundsätzlich mit dem Versprechen, dass er nicht »so ein Türke« sei.
Mein iranischstämmiger Bekannter Reza wird oft für einen Araber gehalten. Das hat seine guten und seine schlechten Seiten. Er erklärt den einheimischen Deutschen dann immer, die Araber sprächen viel schneller und härter als die Perser. Reza betont, die Perser seien in ihrer Art und Weise so sanft und zart wie Perserkatzen. Trotz aller Erklärungsversuche machen sie Reza Komplimente für das hervorragende Schawarma und den Hummus seiner Landsleute.
»Uns Perser zeichnet ein guter Humor aus, nur manchmal, wenn die Menschen mir doof kommen, gebe ich vor, ein Araber zu sein«, erzählte mir Reza. Dann schüchtere er sie ein mit Sätzen wie: »Reiz mich nicht, sonst werde ich mir dein Gesicht merken und mir deine Anschrift in meinem iPhone abspeichern!«
Das erinnert mich an meinen Freund José Ramon, der mit Jesus verwandt ist und nicht das Privileg hat, sich wie Reza als Araber ausgeben zu können. Jesus ist sein Onkel. Wenn José gefragt wird, ob sein Onkel wirklich Jesus heiße, entgegnet er: »Ja! Wir sind gestern noch spazieren gegangen!«
Ich finde es immer wieder amüsant, wie manche Einheimische mit den Namen einiger koreanischer Gerichte umherschmeißen, wenn sie herausfinden, dass koreanisches Blut in mir fließt. »Du bist Koreaner, ja?! Euer Kimchi und euer Buldogi (richtig wäre Bulgogi) sind ausgezeichnet!« Ich sehe das als Kompliment an, denn wenn zum Beispiel Amerikaner auf Deutsche treffen, fallen ihnen nicht sofort Speisenamen ein, sondern immer zuerst Begriffe wie Adolf Hitler oder Lederhosen. Komischerweise habe ich noch nie erlebt, dass Einheimische bei Türken das Essen loben. Da verlässt sie wahrscheinlich der Mut. »Du bist Türke, ach was?! Euer Döner ist ausgezeichnet!«
Im Zeitalter des Terrors habe ich als Asiate mehr zu lachen als meine türkischen Brüder und muslimischen Schwestern, die, egal ob sie nun zu den Sunniten, Aleviten, Schiiten oder Kurden gehören, allesamt als potenzielle Schläfer, von Haus aus kriminell oder künftige Opfer von Ehrenmorden gelten.
Nur in manchen Situationen wünschte ich mir, ein Türke oder ein Araber zu sein. Bei meinem ersten Buch etwa erwies sich die Verlagssuche als äußerst schwierig. Viel zu oft bekam ich ein Absageschreiben zurück mit dem Hinweis, das Buch würde sich wirtschaftlich nicht rentieren, weil die in Deutschland lebende koreanische Bevölkerung zu klein sei und deren Kaufkraft zu schwach. Hin und wieder wurde ich gefragt, ob ich nicht etwas Spannenderes wie eine Terroristen- oder Gangsterkarriere oder Erfahrungen aus einem nordkoreanischen Gulag zu erzählen habe, das sei
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