Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
neuen Markt entdeckt. Sie verkaufen T-Shirts mit dem Aufdruck »I’m Muslim Not Terrorist«, »I’m Muslim Don’t Panic«, »Muslim by Nature«, »Drop Love not Bombs«, »I love my Prophet« oder aber »Make Cay (Kinder) not War«. Letzteres gefällt mir am besten, auch wenn es Thilo Sarrazin vermutlich missfallen würde. Auf der Homepage des Unternehmens steht übrigens: »Wir kommunizieren die Religion des Friedens in der Sprache der Jugend, ohne dabei unsere Werte zu verlieren.« Aus einem T-Shirt ist eine ganze Ethnien-Fashion-Linie geworden, die sich internationaler Beliebtheit rühmt.
Der CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe suchte kürzlich einen Referenten für sein Bundestagsbüro. Zu den Bewerbern gehörte auch ein Bekannter von mir, der in Deutschland aufgewachsen ist, aber koreanische Wurzeln hat. Gröhe ist ein Mann der Tat. Bei der zweiten Konferenz der CDU-Mandatsträger mit Migrationshintergrund in Düsseldorf sprach Gröhe in seiner Rede davon, dass die migrantischen Teilnehmer »alle das Gesicht der CDU« seien, und versprach, in Zukunft »dieses Gesicht in seinem ganzen Facettenreichtum noch viel öfter zu zeigen«. Der CDU stünde das wirklich gut zu Gesicht. Gröhe schmeichelte den Teilnehmern damit, dass sie für eine gelungene Integration stünden und »Vorbilder, Wegbereiter und Multiplikatoren« seien.
Meinem deutsch-koreanischen Bekannten half das wenig. Er bekam eine Absage via E-Mail mit den Standardfloskeln. Ich sagte ihm, es solle es einmal mit einem beschrifteten T-Shirt versuchen. Einige Tage später traf ich ihn zufällig im Prenzlauer Berg. Er war gut gelaunt und auf dem Weg zum Bundestag, wie er mir sagte. Kurz bevor wir uns verabschiedeten, zeigte er mir sein T-Shirt. Das Gesicht kam mir irgendwie bekannt vor. Darunter stand ein Zitat: »Gelingende Integration braucht Klartext statt Schönfärberei, Konsequenz statt Ausgrenzung!« Es waren die Worte Hermann Gröhes.
UNTER GLADIATOREN IM SCHLOSS BELLEVUE
D er Bundespräsident bittet Herrn Martin Hyun zur Konferenz »Vielfalt leben – Gemeinsamkeit gestalten«, entnahm ich der Einladung aus dem Bundespräsidialamt. Endlich bekommen wir eine Plattform, um dem Bundespräsidenten unsere Ansichten und Gefühle vorzutragen, war mein nächster Gedanke. Die Liste der Teilnehmer war lang.
Die Gladiatoren der Integration trafen sich am Vorabend der Konferenz standesgemäß im Hotel de Rome an der Behrenstraße. Von Staatssekretären bis zu Chefredakteuren, Referatsleitern, Abgeordneten, Senatoren, Direktoren, Botschaftern, Geschäftsführern, Chief Diversity Officern, Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzenden tummelte sich in der Arena fast alles an Titeln und Ehren, was unsere Gesellschaft hergibt. Menschen, auf deren Gesichtern »Sieger« und »No Time for Losers« stand. Mit dem Sektkelch in der Hand bildeten die Teilnehmer Kreise. Kreise aus Menschen mit Migrationshintergrund – und Kreise mit den Gladiatoren der Integration. Küsschen hier, Küsschen da, Küsschen sind für alle da. Wir blieben unter uns. Unsere Blicke trafen sich, aber mehr passierte nicht. Klaus Kinkel, unser ehemaliger Verteidigungsminister, war auch unter den geladenen Gästen. Er ist heute Vorsitzender der Deutschen-Telekom-Stiftung. Ohne Politik scheint sein Leben gemächlicher zu verlaufen.
Es herrschte Friede, Freude, Eierkuchen. Wir waren zusammengekommen, um Vielfalt zu erleben und Gemeinsamkeiten zu gestalten. Aber schon die Sitzordnung an den runden Tischen zeigte das genaue Gegenteil. Sadik, Alexis, Hülya, Armin, José, Eleonora und mir wurde ein Tisch am äußersten Ende zugeteilt. Die türkischstämmige Moderatorin Asli Sevindim hielt eine Rede für den Personenkreis, der sie zu der machte, die sie heute ist, und warf ihm dabei die schönsten Blicke zu. Sevindim nahm uns nicht wahr. Womöglich ist sie kurzsichtig. Vielleicht saßen wir nur zu weit entfernt von ihr. Wäre das Essen zumindest gut gewesen, dachte ich mir.
Ein einheimischer Professor, der verspätet zum Abendessen erschien, musste sich notgedrungen mit einem Platz am multiethnischsten Tisch des Abends begnügen. Sein Unmut war ihm sichtlich ins Gesicht geschrieben, auch wenn er vergeblich versuchte, ihn zu unterdrücken. Diesen Abend hatte er sich wohl anders vorgestellt. Um mit seinen Forschungsgegenständen gar nicht erst groß ins Gespräch zu kommen, stopfte der Professor die ganze Zeit seinen Mund voll, entweder mit Brot oder mit Wasser. Schließlich spricht man nicht mit
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