Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
aus St. Petersburg. Er war stolz auf die Komplimente der zugegebenermaßen meist schwulen amerikanischen Kommilitonen über seinen europäischen Kleidungsstil, der darin bestand, enge Jeanshosen zu tragen.
Als das Semester zu Ende ging und wir alle Prüfungen hinter uns hatten, wollten Vitali und ich im Millennium Night Club in Burlington feiern. Es war in meinem dritten Jahr an der Uni. Vitali, der russische Don Juan, hatte durch sein tatarisches Tanztalent eine kaukasische Frau in seinen Bann gezogen. Die kaukasische Frau drängte Vitali, der Freude schöner Götterfunken an einem ruhigeren Ort zu Ende zu singen. Als designierter Fahrer wurde ich Zuschauer dieser Oper.
Die kaukasische Dame nahm schließlich auf dem Beifahrersitz des weißen Saturn Sedan Platz. Vitali setzte sich hinten rein. Er sah nervös aus. Zusammengekauert suchte Vitali Blickkontakt zu mir. Die ganze Fahrt über brachte Vitali, der sonst sehr gesprächig ist, kein einziges Wort über die Lippen. Um seinen Abend zu retten und aus dem Pflichtgefühl des loyalen Freundes heraus, übernahm ich das Gespräch mit seiner kaukasischen Eroberung.
Angekommen an der Wohnung, verabschiedeten sich beide hastig von mir. Beide hatten es sehr eilig. Ich konnte mir einen Spruch nicht verkneifen und sagte zu Vitali: »Don’t forget to put on the raincoat! Immer den Regenmantel anziehen, wenn du rausgehst!« Vitali streckte beide Daumen nach oben und verschwand.
Ich wollte schon losfahren, als Vitali zum Auto zurückgerannt kam. Er bat mich, die Scheibe runterzukurbeln.
»Was ist? Nervös vor dem ersten Mal?«, fragte ich spaßeshalber.
»Nein! Das ist es nicht … Oder ist es doch!«, sagte Vitali sichtlich verschämt.
»Was?«, erwiderte ich. »Heißt das, du hast mich mit Olga, Dascha, Glascha, Ninotschka, Annuschka und Irina aufs Korn genommen?«
»Hör mir zu!«, flehte Vitali. »Ich weiß, ich bin dir eine Erklärung schuldig. Aber jetzt ist dafür ein schlechter Zeitpunkt!«
»Martin, I am desperate!«, fügte Vitali hinzu.
»Ich bin nicht der, für den du mich hältst!«, stammelte Vitali. »Wie stülpt man es über?«
Ich fasste mir an den Kopf. »Okay, nur weil du mein tatarischer Bruder bist, werde ich es dir im Schnelldurchlauf erklären! Also: Banane vorstellen, oder auch Gurke, was auch immer. Packung aufreißen. Das Obere drücken und drüber damit! Harascho ! Verstanden?!«
»Ich glaub, ich hab’s! Harascho !«, antwortete Vitali und ging die letzten Schritte seines jüngferlichen Weges. Ich hingegen fuhr einsam nach Hause.
Ich war gerade zur Tür hinein, da rief mich Vitali auf dem Handy an. »Martin? Kannst du mich abholen?«
»Warum?«, fragte ich nach.
»Hol mich bitte ab!«, bat mich Vitali.
Wozu sind Blutsbrüder da, dachte ich mir, legte auf, zog die Jacke an und machte mich auf den Weg. Es stellte sich heraus, dass seine kaukasische Eroberung, nicht, was Sie jetzt denken, ein Mann war, sondern Mutter eines Babys und auf der Suche nach einem Vater. Das muss auf Vitali wie eine kalte Dusche gewirkt haben, denn sein tatarisches Blut floss fluchtartig wieder ins Gehirn.
Der russische Don Juan, der tatarische Liebesaffe, der Weiberheld aus St. Petersburg war ein gefallener Mann. Er war nur noch die Hälfte des Jungen, der er ausgab zu sein. Die Wahrheit holt einen immer ein. Freunde soll man nicht belügen. Für Wochen und Monate musste Vitali meinen Spott ertragen.
»Vitali! You are never going to dock out from the Virgin Islands!«
Vitali muss sich diese Worte zu Herzen genommen haben. Er war in seinem männlichen Stolz gekränkt. Im Sommer darauf lernte Vitali Catherine kennen. Catherine war Studentin an einer reinen Frauenuniversität. Es war Sommer. Als ich gegen sechs Uhr morgens im Halbschlaf meine Zähne putzte, um mich für die Bücherei fertig zu machen, galoppierte Vitali in Boxershorts und mit verwuschelten Haaren ins Badezimmer. Er salutierte und rief: »Ich habe soeben die Jungferninseln verlassen! Schiff Ahoi!«
GRENZEN ÜBERWINDEN MIT GEN 3.0
D ie Fertilitätsrate der koreanischen Frauen lag im Jahr 2008 bei 1,19 Kindern. In Deutschland liegt die Geburtenrate im Schnitt bei 1,4 Kindern. Damit gehören Korea und Deutschland zu den Ländern mit den niedrigsten Geburtenraten. Während das deutsche Familienministerium noch darüber nachdenkt, Anreizstrukturen und Lösungen zu finden, geht das koreanische Familienministerium mit gutem Beispiel voran. Einmal im Monat werden die koreanischen Mitarbeiter früher
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