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Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Titel: Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hyun
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Moviestar mit dem größten Trailer am Filmset. Ein Stummfilm ist auch ein Fortschritt, dachte ich mir, und erledigte meine schauspielerischen Aufgaben, wie es von einem Profi verlangt wird. Es sollte nicht meine letzte Rolle gewesen sein.
    Meine Bekannte Han-ah forderte mich auf, bei der politischen Castingshow des ZDF »Ich, Kanzler« mitzumachen. Ich antwortete ihr, dass ich nach meiner bambireifen Performance im Imagefilm der Ruhr2010-Kampagne in der glücklichen Lage sei, meine Rollen nun selbst aussuchen zu können, und lehnte ihr Angebot ab. Der Preis im Falle eines Sieges war nämlich nicht gerade verlockend: Dem Gewinner bot man ein Praktikum im Bundeskanzleramt an. Es war ein Nullsummenspiel. Der Gewinner konnte nur das ZDF sein. Welche Partei würde einen Castingshow-Teilnehmer ernst nehmen und ihm Aufstiegsmöglichkeiten gewähren? Anstelle eines Praktikums hätte man ein Jahresgehalt der Bundeskanzlerin als Geldpreis festlegen sollen. Mit dem Geld hätte man sich zumindest von der öffentlichen Blamage reinwaschen, sich die Herzen der Parteivorstände erkaufen, seine eigene Partei gründen oder aber in der Provence ein neues anonymes Leben beginnen können. Dann hätte ich mir Han-ahs Aufforderung noch einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen.
    Doch meine Chance kam. Kurz vor dem Sommerloch erschien das ZDF im Büro unseres Abgeordneten. Es ging um Nebentätigkeiten. Das ZDF-Team wollte zwei der Mitarbeiter im Bild haben. Darunter war ich. Endlich dürfen Deutsch-Koreaner Stellung nehmen zu Themen, die nichts mit nordkoreanischen Atomraketen oder Prügeleien der Abgeordneten im Parlament zu tun haben, dachte ich. Bis der Kameramann kurz vor Drehbeginn beiläufig erwähnte, dass es sich um einen Nonverbal-Dreh handele und deshalb die Stimmen nicht zu hören sein würden. Wir sollten aber so tun, als ob wir ernsthaft diskutierten.
    Ich hatte die Nase voll. Ein stummer Filmstar wollte ich nicht werden und bleiben, und deshalb hing ich meine vielversprechende Filmkarriere an den berühmten Nagel.

MORITZ BLEIBTREU – EIN INTEGRATIONSTRAUM
    M it einem Wort kann alles, aber auch nichts gesagt sein. Ein falsches Wort kann einen Krieg auslösen, eine Freundschaft beenden oder eine Ehe in die Krise führen. Ein gutes Wort dagegen kann Frieden schaffen und Menschen zusammenführen. Schließlich macht auch nur ein Wort von Gott unsere Seele wieder gesund. Worte in Taten umzusetzen, um etwa das Korsett aus Chancenlosigkeit und Diskriminierung zu durchbrechen, das fällt uns noch ein wenig schwer.
    Geschichten über Ausländer sind zeitlos und lesen sich wie spannende Hitchcock-Krimis. Das Leben der Migranten wird nie aus der Mode kommen, wie Taschen von Chanel oder Werke von Schostakowitsch. Hätte ich das große Glück, Aladin aus der Wunderlampe zu begegnen, der mir einen Wunsch gewährt, dann den, in meinem nächsten Leben Moritz Bleibtreu zu sein. Kein anderer Schauspieler seiner Generation ist so vielseitig wie er. Bleibtreu ist ein Metamorphosen-Genie, ein All-in-One-Schauspieler und der Prototyp des Menschen in der Einwanderungsgesellschaft. Beim Identitätshopping kann ihm keiner das Wasser reichen. Im Film »Solino« spielt Bleibtreu den Sohn italienischer Gastarbeiter. In »Knockin’ on Heaven’s Door« brilliert Bleibtreu als der türkische Kleinkriminelle Abdul. In Bushidos »Zeiten ändern dich« schlüpft er in die Rolle des Tunesiers Arafat Abou-Chaka. In »Jud Süß« verkörpert Bleibtreu Joseph Goebbels. Im Film »Baader Meinhof Komplex« agiert Bleibtreu als Terrorist Andreas Baader. In »Soul Kitchen« stellt er den Deutsch-Griechen Illias Kazantsakis dar. Im Film »Das Experiment« steckte man Bleibtreu in die Rolle des Tarek Fahd, ein Taxifahrer und Ex-Journalist. In »Germanikus« spielt er Kaiser Titus, und im deutsch-türkischen Gangsterfilm »Chiko« verkörpert Bleibtreu die Hamburger Kiezgröße Big Boss Brownie. In jeder seiner Rollen konnte Bleibtreu überzeugen, ob als Türke, Grieche, Italiener, Tunesier, RAF-Terrorist oder als Nazi. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Bleibtreu die afrikanische, indische und asiatische Identitätsmauer durchbrechen wird. Dann wird Bollywood-Star Sha Rukh Khan nicht mehr viel zu lachen haben. Für mich besteht kein Zweifel, dass Bleibtreu auch in asiatischen Melodramen und sogar in Kung-Fu-Filmen jede Rolle spielen könnte. Ich kann mir schon die riesigen Filmposter vor den Kinoeingängen vorstellen: »Moritz Bleibtreu in Der Killer mit der

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