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Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Titel: Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hyun
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Affenpranke«, oder: »Moritz Bleibtreu in Die 18 Todesschläge der Shaolin«.
    Bleibtreu kann sie alle spielen. Er besitzt diese göttliche Gabe, die asiatische, deutsch-indische und afrodeutsche Schauspielerkollegen vor Neid blass werden lassen. Egal wie talentiert sie sind, sie könnten nie einen Joseph Goebbels oder Andreas Baader spielen. Nur der demographische Wandel und die Förderung binationaler Ehen können die Schauspieler, deren Aussehen einen Migrationshintergrund verrät, vor der Arbeitslosigkeit bewahren. Bis dahin müssen sie sich mit begrenzten Rollen zufriedengeben. Der Asiate spielt den treu ergebenen Diener. Der Afrodeutsche übernimmt den Part des Drogendealers, und alle sprechen sie kein Deutsch.
    Neuerdings ist Bleibtreu im Fernsehen als Werbeikone zu bewundern. Eine Wachsfigur mit seinem Konterfei steht im Berliner Madame Tussauds. Er ist Vater eines Kindes und beweist mit seiner schwedischen Freundin, dass auch Sprachbarrieren ihm nichts anhaben können. In einem Interview verriet Bleibtreu einem Journalisten, was auf seinem Grabstein stehen solle. Dabei zitierte er Kurt Vonnegut mit: »Er hat’s versucht«.
    Ein cooler Spruch von einem coolen Mann. Ausländer und Migranten sollten nach seiner Leichtigkeit der Metamorphose streben und Identitäten produzieren, deren Migrationshintergrund den Menschen ein Rätsel bleibt, um ethnische Grenzen aufzulösen und Raster im Kopf zu sprengen. Bleibtreu sollte menschliches UNESCO-Weltkulturerbe werden. Sein Erbgut sollte der Nachwelt erhalten bleiben. Ich bin schon gespannt darauf, in welche Rolle Bleibtreu in seinem nächsten Film schlüpfen wird.
    Zugegebenermaßen sollen Migranten nicht zwingend zu lauter kleinen und großen Moritz Bleibtreus mutieren. Aber vielleicht zu prächtigen asiatischen Marienkäfern? Die haben nämlich einen ungeheueren Vermehrungstrieb, so dass sie heute schon bis zu vier Generationen vorproduziert und damit den einheimischen Marienkäfer vom Markt verdrängt haben.

BLUMEN
    I m Osten Berlins sind die Blumenläden in fester Hand der Vietnamesen. Und das ist kein Zufall, sondern Schicksal. Auch wenn Sozialwissenschaftler einen anderen Grund dahinter sehen und der Globalisierung die Schuld in die Schuhe schieben. Ich glaube, die Vietnamesen wurden durch den Vietnamkrieg während der Flower-Power-Zeit traumatisiert. Nach dem Krieg haben sich die ehemaligen sozialistischen DDR-Vertragsarbeiter geschworen, Friedensbotschafter zu werden. Wie kann man seine Abneigung gegen Krieg und Gewalt besser zeigen als durch den Verkauf von Blumen. Die Botschaft »Make Love, not War« lassen sie durch die Vielfalt der Blumen sprechen. Dazu benötigt man keine Sprachkompetenz, kein Sprachzertifikat, keinen deutschen Pass und vor allem keinen Integrationskurs. Obwohl die vietnamesischen Blumenverkäuferinnen und -verkäufer nur gebrochen Deutsch sprechen, verabschieden sie ihre Kunden wie Ur-Berliner mit »Tschüssi!«
    Auch die NPD kann – nachdem ihre »Anti-Döner«-Kampagne kläglich gescheitert war – trotz ihrer Protestplakate »Anti-Blumen« nichts gegen diese friedliche vietnamesische Übernahme der Blumenbranche in Berlin tun. Die Blumengeschäfte mit einheimischen deutschen Inhabern haben sich dramatisch verringert. Nach der mehr oder minder erfolgreichen Wende sind viele heimische Inhaber wohl amtsmüde geworden als Botschafter des Friedens und haben sich selbst außer Dienst gestellt. Nun lässt man den Vietnamesen den Vortritt. Das nenne ich gelebte Solidarität.
    Aber die Vietnamesen wollen mit den Blumenläden nicht nur friedliche Botschaften verbreiten. Sie wollen auch Brückenbauer sein. Man möchte einen Sinneswandel erzeugen, indem man Klischees zerschlägt, das vom asiatischen Restaurantbesitzer etwa. Es ist kein Wunder, dass Vietnamesen zu den am besten integrierten Zuwanderern in Deutschland zählen. Die zweite Generation Deutsch-Vietnamesen weist, ähnlich wie die der Deutsch-Koreaner, eine hohe Bildungsquote auf. Im Gegensatz zu den Deutsch-Vietnamesen sind die Deutsch-Koreaner schon auf dem Arbeitsmarkt. Dort erst wird sich zeigen, ob die Integration wirklich gelungen ist, ob vietnamesischstämmige Arbeitnehmer Wege in die Aufsichtsräte von DAX-Unternehmen finden und sie in der Politik als Delegierte fungieren.
    Der vietnamesischstämmige Philipp Rösler, der mit neun Monaten von deutschen Eltern adoptiert wurde und seit der 17. Wahlperiode Wirtschaftsminister und Vizekanzler ist, gibt Mut.

IHR HABT DOCH EINEN!
    I

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