Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
hr habt doch einen!«, sagte der Mann während der Gesprächsrunde im ibero-amerikanischen Institut bei der Veranstaltung »Die Kunst, deutsch zu sein«.
»Ihr habt doch den Philipp Rösler!«, bekam ich von einer jungen Frau während der Diskussionsrunde meiner Lesung in Hamburg zu hören.
In diesen Tagen möchte ich mit Philipp Rösler nicht tauschen. Ist er doch von der Bundesregierung beauftragt, alle Asiaten in Deutschland zu repräsentieren, die Mitglied des 21 Staaten umfassenden Asiatisch-Pazifischen Wirtschafts-Kooperationsrates (APEC) sind.
Frank Plasberg stellte in seiner Sendung »hart aber fair« die These auf, dass vietnamesische Einwandererkinder in Deutschland Minister würden. Er sagte es so leicht und locker daher, wie ein routinierter Magier seine Hasen aus dem Zylinder hervorzaubert, als hätte die Gesellschaft nie ein Problem damit gehabt. Als repräsentativ für »vietnamesische Einwandererkinder« war Gesundheitsminister Philipp Rösler gemeint. Die Rechtskonservativen in Niedersachen haben Rösler liebevoll den Spitznamen »Chinese« gegeben, und seine Gegner nennen ihn auch mal die »gelbe Gefahr«.
Noch lange nach der Sendung diskutierten mein Freund Felix und ich über Plasbergs Bierdeckelthese. Felix war der Auffassung, seine Redakteure hätten ihm schlampig zugearbeitet. Denn schon Röslers deutscher Vor- und Nachname verrieten, dass er so norddeutsch sei, wie ein Norddeutscher nur sein könne. Röslers braune mandelförmige Augen und schwarzen Haare sind Souvenirs, die ihn noch an seine Herkunft erinnern. Alles andere ist norddeutsch sozialisiert. Rösler ist Katholik und liebt Schlagermusik von Udo Jürgens. Und da liegt der Hase im Pfeffer. Kein einziges vietnamesisches Einwandererkind hört freiwillig Udo Jürgens. Es sei denn, die Eltern wollen das Kind foltern.
Auf die Frage nach seinen asiatischen Wurzeln sagt Rösler, Vietnam sei für ihn nicht mehr als »ein schönes Reiseland«. Im Jahr 2006 fuhr Rösler angeblich nur dorthin, weil seine Frau ihn drängte. Durch seine Adoption hatte Rösler andere Startbedingungen als vietnamesische Einwandererkinder. Plasberg wäre nahe an der Wahrheit gewesen, hätte er behauptet, Vietnamesen könnten unter der Voraussetzung in Deutschland Minister werden, dass sie sich von deutschen Eltern adoptieren lassen. Das hätte vermutlich dazu geführt, dass sich wieder Massen von Vietnamesen in hochseeuntaugliche Boote gesetzt hätten, um nach Deutschland zu emigrieren.
In dem »schönen Reiseland« feierte man Röslers Ernennung zum Gesundheitsminister wie das Tet-Fest. Mein vietnamesischer Änderungsschneider Long Bien an der Warschauer Straße, der nicht mit dem Boot, sondern per Flugzeug als Student in die damalige DDR gekommen war, blieb nach der Wende. Long Biens Augen strahlten, als er mir erzählte, durch Röslers Aufstieg hätten sich gute Zukunftsperspektiven für seine Kinder ergeben. Er selbst hatte damals Maschinenbau studiert und dabei die Liebe seines Lebens gefunden. Nach dem Abschluss wollte ihn keiner einstellen. Irgendwann war Long Bien es satt, auf seine Bewerbungen nur Absagen zu kassieren. Seine Frau machte ihn darauf aufmerksam, dass Nachwuchs unterwegs war. Er machte sich selbstständig, wie viele seiner Landsleute, wurde sein eigener Chef, um nicht mehr von der Gnade irgendwelcher Arbeitgeber abhängig zu sein.
Rösler ist ein Surrealist und hat etwas von Magrittes Pfeife, die keine Pfeife ist. Auch wenn Rösler sich selbst nicht als vietnamesischstämmigen Migranten sieht, so vergleicht er sich doch gerne mit einem Bambusrohr, das sich im Winde wiegt und nicht bricht. Dennoch ist Long Biens Freude über Röslers Ministerposten berechtigt. Es ist ein Fortschritt, dass eines von uns Schlitzaugen ein so hohes Amt bekleidet. Fritz, ein westfälischer Jazzmusiker, den ich zufällig bei einem Büchertrödel in einem Café an der Frankfurter Allee kennengelernt hatte, meinte, Deutschland befinde sich momentan in einer Phase der Akzeptanz, in der eine Nominierung, wie sie Rösler zuteilwurde, so lange toleriert würde, bis das Pendel wieder zu schwingen beginne. Dann fange wieder eine Zeit der Nichtakzeptanz an. Erst dachte ich, Fritz müsse etwas Illegales geraucht haben. Nur die Zeit wird es zeigen, ob sich Fritz’ Theorie auch bewahrheitet. Ein Stück Wahrheit liegt in den Beliebtheitsumfragen zu Politikern, in denen Philipp Rösler regelmäßig einen der hintersten Plätze einnimmt. Aber einen 16. Platz von 20 Politikern
Weitere Kostenlose Bücher